Gescheiterte Strategie
Der Westen und der Umsturz im Niger
Die erste Reaktion des Westens auf den Umsturz im Niger war die Drohung, den Konflikt zu internationalisieren, d.h. den Krieg im Sahel auszuweiten. Anderes fiel dem Westen nie ein, wenn es galt, Unbotmäßigkeit in der als Hinterhof betrachteten Region niederzuschlagen. Das Problem: Die Kräfteverhältnisse in der Welt ändern sich rasant, aber Frankreich und die USA sind nicht bereit, auf ihren Status als militärgestützte Kolonialmächte zu verzichten.
Lediglich die rechtswidrige Gewaltdrohung überließ der Westen dem Chef der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), dem Präsidenten Nigerias, Bola Tinubu. Der hatte zuvor ein Telefonat mit USA-Außenminister Antony Blinken. Die frühere britische Kolonie Nigeria erbringt zwei Drittel der ECOWAS-Wirtschaftsleistung und ist ein Machtfaktor – anders als die ruinierten frankophonen Mitgliedstaaten, die am finanziellen Tropf Frankreichs hängen. Das regiert die Region indirekt mit der »Gemeinschaftswährung« CFA, die in Paris manipuliert wird.
CFA ist eine Geldpumpe zur Finanzierung der jeweiligen Kompradorenbourgeoisie und zur Verarmung der Bevölkerungen. Das hat deren Unmut in mehr als 60 Jahren zur Weißglut gesteigert. Zudem: Die rassistisch geprägte Arroganz, mit der Paris und London 2011 den Krieg gegen Libyen eröffneten, ist nicht vergessen – wie auch die Pläne für eine wirkliche wirtschaftliche Unabhängigkeit Afrikas des unter NATO-Aufsicht viehisch ermordeten Muammar Al-Ghaddafi.
Als sich die Staatszertrümmerung Libyens wie vorhergesagt auf die Staaten des Sahel ausweitete, machten die Fußtruppen des Westens – dschihadistische Kopfabschneider, hochgerüstete Schmuggelkartelle und korrupte Militärs – der Staatlichkeit dort zugleich den Garaus. Alles unter Aufsicht einer verhaßten UNO-Truppe. Das Resultat von Besuchen westlicher Politiker war stets: mehr Militär. Das sollten die Afrikaner damals gefälligst selbst aufstellen, die Kohle sollte aus Paris, Brüssel und Berlin kommen.
In der vergangenen Woche resümierte die »Neue Zürcher Zeitung«, von der westlichen Strategie bleibe »nur noch ein Trümmerhaufen«. Niger zeigt: Der Westen weigert sich, die Welt so zu sehen, wie sie ist, insbesondere wenn der globale Süden und namentlich die meisten afrikanischen Staaten den NATO-Krieg gegen Rußland als solchen betrachten.
Die einzige Antwort des Westens auf Niger lautet daher wie gehabt: Gewalt. Die Reaktion kam schnell: Der stellvertretende Chef der aufständischen Militärs freute sich bei einem Besuch in Bamako über die gute Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen mit Mali und fuhr weiter nach Burkina Faso. Alle drei Staaten warnten vor einem Einmarsch in Niger. Internationalisierung können auch andere.