Luxemburg30. August 2024

Pensionsverschlechterung droht:

Sollen mehr Leute mit demselben Geld auskommen?

von ZLV

Es ist schon sonderbar, wenn jetzt Klagen kommen, die Menschen würden länger leben und es gebe mehr Pensionsempfänger als zuvor, weswegen sie weniger kriegen müßten. Es ist dabei irgendwie rührend, wenn genau das auf 100,7 von einem Gérard Schockmel gesagt wird, der am 8. Januar 2024 auf der Internetseite der Chamber ein Nebeneinkommen zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Abgeordneter als »Médecin salarié Hôpitaux Robert Schuman« zwischen 100.001 und 200.000 Euro erklärt, wobei er sich in der Höhe aber nicht ganz sicher zu sein scheint, da er davor im selben Formular angibt, mehr als 200.000 Euro pro Jahr aus dieser Tätigkeit zu beziehen.

Es ist klar, daß es eindeutig zu einer Pensionsverschlechterung kommen muß, wenn ihre Zahl zunimmt und wenn es so wäre, daß ein fixer Betrag unter allen Pensionsbeziehern aufzuteilen wäre und die dann damit auszukommen hätten, egal wie viele es sind oder werden.

Doch was wäre das für eine Gesellschaft, in der mehr Menschen keinen größeren Teil vom Kuchen abbekommen dürften als weniger und was hätte das für Folgen für die Kuchenverteilung unter allen?

Es wäre das eine höchst ungerechte Gesellschaft, die immer inegalitärer wird, wobei das sowieso schon eine ständige Tendenz im realexistierenden Kapitalismus seit 1990 ist, weil die Produktivitätsgewinne seither im Gegensatz zur Zeit der Systemauseinandersetzung nicht mehr halbwegs gleichgewichtig an Kapital und Lohnabhängige gingen.

Wenn aber die zahlenmäßig wachsende Gruppe der Pensionsbezieher nicht Anrecht auf einen größeren Anteil des gesellschaftlich geschaffenen Reichtums haben dürften, und daher ärmer würden, wäre Reichen wie Gérard Schockmel & Co. die Frage zu stellen, wer dann mehr bekommen soll. Da die Pension für Lohnabhängige nichts anderes ist als ein in der Zeit versetzter Teil der Lohnauszahlung, sollen eindeutig nicht die noch in Arbeit stehenden Lohnabhängigen das mehr bekommen, was die Pensionierten weniger erhalten sollen. Klarerweise möchte sich die Kapitalseite das Mehr unter den Nagel reißen, denn die Profitrate kann bekanntlich nie hoch genug sein.

Es sind das eben kommunizierende Gefäße, über die der gesellschaftlich geschaffene Reichtum verteilt wird. Kriegt da eine Gruppe weniger ab, kriegt automatisch eine andere Gruppe mehr ab, zumindest so lange wie es ein Wirtschaftswachstum gibt. In einer Wirtschaftskrise erst würde sich die Frage stellen, welche Gruppe den Gürtel mehr oder weniger enger schnallen müßte, wenn es um die Verteilung des geringer gewordenen gesellschaftlichen Reichtums geht. Egal wie ist aber das Ergebnis dasjenige eines Verteilungskampfes, den früher alle offen als Klassenkampf bezeichneten, und das ist eindeutig die richtige Bezeichnung dafür.

Das, was in der Pensionsfrage gerade eben von der CSV/DP-Regierung gestartet wurde, ist eindeutig Klassenkampf von oben, wobei interessanterweise niemand sagt, dem Land würde eine wirtschaftliche Katastrophe bevorstehen. So heißt es nicht, die Hälfte der Industriearbeitsplätze sei dabei, wegzubrechen wegen der Deindustrialisierung Deutschlands infolge der Energieverteuerung, hervorgerufen durch die antirussischen Sanktionen, oder der Finanzplatz stehe vor dem Zusammenbruch, weil eingefrorene russische Gelder bzw. die Zinsen darauf an Kiew überwiesen werden und daher alle von außerhalb des kollektiven Westens ihr Geld aus Luxemburg abziehen werden. Trotzdem wird so getan, als sei es absolut sicher, daß in drei Jahren mehr an Pensionen auszuzahlen sei als an Beiträgen reinkommt.

Wir haben bereits im ersten Teil darauf hingewiesen, wie wenig Verlaß auf solche Projektionen ist, und daß all jene, die in der Vergangenheit in die Welt gesetzt wurden, sich nicht bewahrheitet haben.

So lebten in Luxemburg zur Jahrtausendwende nicht nur 220.000 Menschen, aber es war in Erwartung dessen den Primanern lange Zeit gesagt worden, nicht den Lehrerberuf zu ergreifen, weil sie dann nicht gebraucht würden, und es wurden keine neuen Schulen über Jahre mehr gebaut. Die Folge waren zu wenig Lehrkräfte und Schulcontainer.

Weniger katastrophal wirkte sich die Ankündigung der »Rentenmauer« für 2015 aus, obwohl es 2012 eine Rentenverschlechterung für künftige Lohnabhängige setzte, die für bereits in Arbeit befindliche nur die Drohung der Aussetzung der Anpassung an die Lohnentwicklung enthielt, wenn der Punkt erreicht würde, wo mehr auszuzahlen sei als eingenommen wird. Daß sich das über die Zeit stark negativ auswirken würde, hat die Salariatskammer neuerdings damit belegt, daß jemand, der vor 20 Jahren in Pension ging und heute pro Monat 3.800 Euro bezieht, nur 3.000 Euro kriegen würde, hätte es diese Anpassung nicht gegeben.

Tatsache ist, daß der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der in die Pensionen floß, in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, was niemandem etwas wegnahm, weil der gesellschaftlich geschaffene Reichtum größer wurde. Dennoch, und auch das ist eine Tatsache, stieg die Profitrate für das Kapital unbeschadet der Mehrausgaben für Pensionierte.

Wenn jetzt wieder eine »Rentenmauer« in der Debatte auftaucht, die relativ kurzfristig 2027 eintreffen soll, so ist das nichts anderes als ein Angriff der Kapitalseite auf das Salariat für höhere Profite im Verteilungskampf um den gesellschaftlichen Reichtum.

(wird fortgesetzt)