Leitartikel04. März 2021

1.700 Jahre arbeitsfreier Sonntag



Gestern jährte sich der arbeitsfreie Sonntag in unseren Breiten zum 1.700. Mal. Im Jahr 321 hatte der römischer Kaiser Flavius Valerius Constantinus, genannt Konstantin der Große, ein Edikt erlassen, wonach »am Tag der Sonne alle Richter, ebenso das Volk in den Städten sowie die Ausübung der Künste und Handwerke ruhen« sollten. Da das Gebiet des heutigen Luxemburgs damals Teil des Imperium Romanum war, galt das Edikt auch hier.

Der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und kirchlichen Beschäftigtenorganisationen war das große Jubiläum eine pandemiebedingt »virtuell« über das Internet abgehaltene Festveranstaltung wert, zu der die federführende »Allianz für den freien Sonntag« eingeladen hatte.

Dem rücksichtslosen Strategen Konstantin, der meist in Augusta Treverorum, dem heutigen Trier, residierte, war mit dem Edikt ein geschickter Schachzug gelungen. Einerseits stellte er die im Römischen Reich zahlreichen Anhänger des Sonnengottes Apollon zufrieden, andererseits verstanden es auch die wachsenden christlichen Gemeinden als Anerkennung ihres Glaubens und der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte, wonach Gott am siebten Tag »ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte«.

Konstantin setzte das Christentum an die Seite der alten Religionen und privilegierte es allmählich. 1.700 Jahre später heißt es in den gemeinsam von der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebenen »Ökumenischen Gottesdienstbausteinen zum Jubiläumsjahr 2021«:

»Der römische Kaiser Konstantin – dessen historisches Wirken insgesamt auch kritisch betrachtet werden sollte – begründete mit eben diesem Edikt ein herausragendes Kulturgut, das unser gesellschaftliches Leben bis in die Gegenwart prägt. Der arbeitsfreie Sonntag gewährt den Menschen bis heute Freiheit von Fremdbestimmung, schenkt ihnen gemeinsame Zeit für Familie und Freunde, gibt ihnen Raum für Erholung und eigene Interessen und bleibt nicht zuletzt der Tag der Religionsausübung und des Gottesdienstes.«

Wem das zu pfäffisch klingt, der kann sich ja den letzten Teil der Erklärung wegdenken, doch als Mitstreiter im Kampf um die Arbeitszeiten – den Marx einen »langwierigen, mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse« nannte – sollten uns die auch in Luxemburg noch immer einflußreichen kirchlichen Verbände stets willkommen sein.

Und auch die Inhaber kleiner Läden sollten sich dem Kampf um einen für möglichst viele Schaffende arbeitsfreien Sonntag anschließen, denn die ständige Ausweitung der Ladenschlußzeiten durch die Regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben doch nur den großen, international operierenden Handelsketten geholfen und auch von Ladenöffnungen an Sonntagen profitieren doch in erster Linie die großen Konzerne, nicht die kleinen Läden.

Wer den meist mit Entlassungen einhergehenden Verdrängungswettbewerb in den Fußgängerzonen der größeren Gemeinden beenden will, sollte sich für einen allgemeinverbindlichen Branchenkollektivvertrag für alle kleinen Handelsbetriebe bis 50 Mitarbeiter und für verbindliche Regelungen für alle Handelsunternehmen einsetzen.

Unseren freien Sonntag aber sollten wir uns nicht nehmen lassen. Auch nach 1.700 Jahren sollte gelten: Am Tag der Sonne sollst du ruhen!