China: Ein von der westlichen Propaganda erfundener Feind? (1)
Unter falscher Flagge – Xinjiang
Bedroht China die Sicherheit und Freiheit Europas? Ist sein »Regime« noch dazu besonders gefährlich und hassenswert, weil es ständig die elementarsten Menschenrechte verletzt und seine Minderheiten unterdrückt und misshandelt, wenn nicht gar ermordet?
Ein soeben in Frankreich erschienenes Buch geht diesen und ähnlichen Fragen nach. Ungewöhnlich und einigermaßen bemerkenswert ist es auch dadurch, dass es von einem Luxemburger verfasst wurde.
Das Buch von Albert Ettinger trägt den Titel »La Chine – un ennemi fabriqué par la propagande?« Es befasst sich auf fast 400 Seiten eingehend mit jenen Themen, die bei der westlichen China-Berichterstattung über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder im Vordergrund standen: 1) mit den Uiguren in der Autonomen Region Xinjiang (früher auch »Sinkiang« geschrieben), 2) mit dem Konflikt in und um Tibet, 3) mit der »Demokratiebewegung« in Hong Kong und 4) mit der angeblich von chinesischem »Expansionsdrang« bedrohten Insel Taiwan.
Jedem dieser Themen, wie sie in Albert Ettingers Buch diskutiert und dargelegt werden, wollen wir in der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« in den kommenden Wochen jeweils einen Artikel widmen.
Xinjiang
Der Autor erklärt zu Beginn, weshalb das Thema der Uiguren in den Medien des Westens und in seiner Chinapolitik plötzlich so eine große Bedeutung bekam.
Chinas riesige Autonome Region Xinjiang grenzt nicht nur an die Mongolei, sondern auch an Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pakistan, Indien und Afghanistan. Die Landroute des chinesischen Großprojekts der »Neuen Seidenstraße« führt mitten durch das Gebiet. Dies verleiht ihm eine überragende strategische Bedeutung, zumal die noch wichtigere Seeroute, die durch die Straße von Malakka führt, von den USA und ihren Verbündeten im Falle einer bewaffneten Konfrontation leicht zu blockieren wäre.
Nun gibt es im Weltbild der US-amerikanischen herrschenden Klasse nur Gewinner und Verlierer, und für »God's own country« kommt es nicht in Frage, eines Tages seinen »Platz an der Sonne« zu räumen und die Nummer zwei in der Welt zu werden. Deshalb stellt der bloße »wirtschaftliche Aufstieg Chinas« eine »Herausforderung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten dar«, wie es ein gewisser Major Stephen Warner in einem »Countering China’s Rise« betitelten Artikel vom 19. Mai 2021 formulierte.
Der uigurische
Separatismus soll
helfen, den Aufstieg Chinas zu bremsen
Ein in Chaos und Bürgerkrieg versinkendes Xinjiang wäre daher für die USA ein echter Glücksfall. Eine solche Entwicklung würde das Projekt der »Neuen Seidenstraße« ins Herz treffen, China entscheidend schwächen, seinen weiteren Aufstieg, wenn nicht verhindern, so doch wesentlich verzögern und letztlich den USA erlauben, ihre globale Vorherrschaft zu bewahren.
Die USA und ihre Vasallen haben also ein starkes Interesse daran, Xinjiang zu destabilisieren. Dabei können sie sich einige Besonderheiten der Region zunutze machen: Das dünn besiedelte Gebiet ist, gemessen an Chinas Küstenregionen, noch rückständig und unterentwickelt. Seine Bevölkerung besteht zur Hälfte aus ethnischen Minderheiten. Die größte davon, die Uiguren, ist traditionell muslimischen Glaubens und unterscheidet sich sprachlich wie kulturell von den Han, der chinesischen Mehrheitsbevölkerung.
Albert Ettinger zeigt in seinem Buch, aufgrund zahlreicher Belege: Die uigurischen Separatisten, die erklärtermaßen »China zerstören« wollen, werden seit langem von der USA-Regierung beherbergt, finanziert und unterstützt. Die USA haben die uigurische Terrororganisation ETIM von ihrer Liste der Terrororganisationen gestrichen, um die Dschihadisten für den Kampf gegen China nutzen zu können.
In den USA schließen sich die uigurischen Separatisten den islamfeindlichsten, chauvinistischsten und militaristischsten Kräften der USA an. Aus diesen Kreisen stammen die chinafeindlichen Behauptungen, die in westlichen Medien und von USA-hörigen Politikern aufgegriffen werden.
Unterdrückte Minderheiten?
Das Buch geht nun der Frage nach, ob diese Behauptungen zutreffen oder auch nur einigermaßen plausibel sind. Wird in China die uigurische Minderheit (und die anderen muslimischen Minderheiten) diskriminiert? Werden ihre Religion und traditionelle Kultur verunglimpft und ausgemerzt, wird ihre Sprache unterdrückt oder gar verboten?
Dafür gibt es keinerlei Anzeichen.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich vielmehr, dass die Minderheiten Chinas insgesamt und die Uiguren im Besonderen gegenüber der Mehrheitsbevölkerung bisher bevorzugt behandelt wurden. Von der chinesischen »Ein-Kind-Politik«, über die im Westen viel Tinte vergossen wurde, waren sie zum Beispiel nie betroffen. Ihre Bevölkerung wächst schneller als die der Han-Chinesen. Ihre Sprache ist in der Region allgegenwärtig, ob gesprochen, geschrieben oder in Büchern und Zeitschriften gedruckt. Sie wird in den Schulen neben der chinesischen Nationalsprache unterrichtet.
Die Kultur der Uiguren und der anderen Minderheiten wird in unzähligen Artikeln und Fernsehsendungen thematisiert und dokumentiert, gelobt und gefeiert. Viele chinesische Idole, etwa Film- und Fernsehstars, Sänger oder Sportler, gehören zur Volksgruppe der Uiguren.
Auch sind die politischen Verantwortlichen (und die Sicherheitskräfte) in Xinjiang sehr oft Uiguren. Uiguren bekleiden hohe Ämter im Staat und in der Kommunistischen Partei, zum Beispiel Erkin Tuniyaz, seit 2021 Präsident der uigurischen Autonomen Region Xinjiang, Shohrat Zakir, sein Vorgänger im Amt, oder Arken Imirbaki, der Vizepräsident des Nationalen Volkskongresses der VR China.
Die ethnischen Minderheiten sind nämlich in China politisch (mehr als) gleichberechtigt. Sie stellten rund 15 Prozent der 2.977 Delegierten des 14. Nationalen Volkskongresses (im März 2023), obwohl sie nur rund 8 Prozent der chinesischen Bevölkerung ausmachen.
In den westlichen Medien kommen die erwähnten uigurischen Politiker ebenso wenig zu Wort wie die einfachen Bewohner Xinjiangs. Auch in den neuen, von US-amerikanischen Firmen kontrollierten sozialen Netzwerken werden sie mundtot gemacht.
Verschwiegene und verzerrte Tatsachen
Zudem verschweigen westliche Medien alle Fakten, die dem Zerrbild, das sie von Xinjiang zeichnen, widersprechen. Etwa, dass die Region in den letzten Jahren und Jahrzehnten immense Fortschritte zu verzeichnen und beachtliche Erfolge erzielt hat, etwa bei der Armutsbekämpfung, in der China nach UNO-Angaben Unglaubliches geleistet hat.
Die sozialen ebenso wie die wirtschaftlichen Daten zeigen, dass die Uiguren heute länger und besser leben als je zuvor. Vergleicht man ihre Lebenslage mit der Situation von Minderheiten in anderen Ländern, z.B. den indigenen Völkern in den USA, Kanada und Australien, oder mit den Menschen im vom Westen kollektiv »befreiten“ Afghanistan – von den Palästinensern in Israel und den besetzten Gebieten gar nicht zu reden –, so wird überdeutlich, wer da eigentlich Opfer von Unterdrückung, Rassismus und Ausbeutung ist.
Allerdings sah sich der Staat in Xinjiang gezwungen, Maßnahmen gegen religiös und ethnisch motivierten Terrorismus, Extremismus und Separatismus zu ergreifen. Denn, in der westlichen Berichterstattung über Xinjiang wird so gut wie nie erwähnt: Seit den 1990er Jahren waren Xinjiang, ganz China sowie andere Länder Opfer einer langen Reihe brutaler Anschläge uigurischer Terroristen. Noch heute gibt es in Idlib, also in Syrien, Tausende uigurischer Extremisten, die bereit sind, nach Xinjiang zurückzukehren, um dort den Dschihad zu führen.
Die westlichen Medien behaupten dennoch unverdrossen, China benutze den uigurischen Terrorismus bloß als Vorwand, um die Unterdrückung der muslimischen Bevölkerung zu rechtfertigen.
Das Buch führt viele Beispiele dafür an, dass im Westen über Xinjiang gelogen, gefälscht und manipuliert wird und dass Fakten auf böswillige Weise interpretiert werden.
Nach westlichen Meldungen hält (oder hielt) China insgeheim eine, 2 oder auch 3 Millionen Uiguren in »Konzentrationslagern« gefangen. Der Autor zeigt, wie wenig glaubwürdig diese Zahlen sind, Zahlen, die selbst von sehr antichinesisch ausgerichteten Akademikern in Frage gestellt werden. Dabei ist die Bezeichnung »Konzentrationslager« völlig unzutreffend und beruht auf durchsichtigen propagandistischen Absichten. Chinas Behörden haben gerade nicht, wie der Westen, im »Krieg gegen den Terror« ausschließlich auf Repression gesetzt. Die unverzichtbare polizeiliche Bekämpfung der Terroristen wurde vielmehr begleitet von einem umfangreichen Programm zur Deradikalisierung und gesellschaftlichen Integration durch staatsbürgerliche Bildung und berufliche Qualifizierung.
Noch weniger glaubwürdig ist der Vorwurf eines »stillen«, »langsamen Völkermords« mittels Familienplanung. Er stammt, wie viele Stichworte der Hetzkampagne gegen Chinas Xinjiang, von Adrian Zenz, einem christlichen Fundamentalisten und fanatischen Antikommunisten, der Geburtenkontrolle und Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich als Mord ansieht und der glaubt, eine »göttliche Mission« zu haben: China vom atheistischen Kommunismus zu »befreien«.
Albert Ettinger stellt in seinem Buch klar: Es stimmt nicht, dass die Organisation der Vereinten Nationen die Unterdrückung von Muslimen in Xinjiang verurteilt hat. Im Gegenteil, die große Mehrheit der Länder der Welt und insbesondere die muslimischen Länder haben China gegen die Verleumdungen des Westens verteidigt. Es stimmt ebenso wenig, dass Xinjiang, das die Separatisten »Ostturkestan« nennen, seit je und ausschließlich »das angestammte Land der Uiguren« ist. Es war auch nie ein »unabhängiger Staat«.
China hat Xinjiang keineswegs für Ausländer gesperrt, wie oft behauptet wird. Jeder kann mit einem normalen Visum dorthin reisen. Millionen Touristen, darunter viele Ausländer, besuchen jedes Jahr die Region, und so manche veröffentlichen ihre Erlebnisse und Erfahrungen in den sozialen Medien. Auch die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte war in Xinjiang und hat keine Anhaltspunkte für einen angeblichen »Völkermord« gefunden.
Falschaussagen wie einst vor dem Angriff auf den Irak
Die USA haben in der Vergangenheit immer wieder Falschmeldungen und falsche Zeugenaussagen eingesetzt, um unausgesprochene politische Ziele zu erreichen.
Sehr detailliert untersucht der Autor deshalb die Aussagen und Auftritte angeblicher Opfer chinesischer »Missetaten«. Die westlichen Medien geben diese Aussagen wieder, ohne sie je zu hinterfragen oder kritisch zu überprüfen. Dabei widersprechen sie sich oft selbst und verändern sich im Laufe der Zeit ganz wesentlich.
Eine genauere Betrachtung der Aussagen von Tursunay Ziyawudun, von Sayragul Sauytbay und von Gulbahar Haitiwaji, die als »Überlebende des chinesischen Gulags« präsentiert wurden, ergibt, dass keine davon als aufrichtig, wahrheitsgemäß und glaubwürdig gelten kann.
Mehr noch: Die Aussagen dieser Flüchtlingsfrauen lassen die rechtsextremen Ideen der uigurischen Separatistenbewegung, die in der Türkei historisch mit den berüchtigten »Grauen Wölfen« liiert ist, durchscheinen. Dennoch wird die antichinesische Xinjiang-Kampagne gerade von Politikern in EU-Ländern getragen und befeuert, die angeblich zur »Linken« gehören: von den Grünen und von rechten »Sozialisten« vom Schlage des Franzosen Raphaël Glucksmann.
Unter falscher Flagge
Angeblich sorgen sich diese Leute um das »Wohlergehen« der Uiguren und der anderen muslimischen Minderheiten in China. Zu diesem Wohlergehen wollen sie beitragen, indem sie zum Boykott aller Waren aus Xinjiang aufrufen, mit dem Ziel, die dortige Wirtschaft zu ruinieren.
Erstaunlich ist schon mal, dass sie nicht das gleiche Ausmaß an Empathie und Solidarität für die unter israelischem Dauerbeschuss sterbenden, verstümmelten, verdurstenden und verhungernden Muslime im Gazastreifen aufbringen. Ganz im Gegenteil!
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. In den USA entdeckten plötzlich rechte, islamophobe Politiker ihre Liebe für die Muslime in Xinjiang. Die uigurischen Separatisten ihrerseits haben für ihren erträumten Ethnostaat ein ungewöhnliches Vorbild auserkoren: das zionistische Israel.
Offenbar haben sie sehr wohl verstanden, worauf ihr Projekt »Ostturkestan« letztlich hinausliefe, wenn es denn Erfolg hätte. Nämlich auf »ethnische Säuberung«, die Vertreibung der Hälfte der Bevölkerung, auf Bürgerkrieg und Völkermord.