Leitartikel14. August 2024

Auf die falsche Spur geraten?

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Der Mobilitätswandel ist in vollem Gange und manches Mal, wie etwa erst rezent an dieser Stelle beim Thema Sinnhaftigkeit des Fahrrads als Allheilmittel des Straßenverkehrs und der viel zu geringen Aufmerksamkeit für Elektromopeds, entsteht der Eindruck einer gewissen Absurdität. So auch bei der rezenten Forderung eines großen deutschen Automobilherstellers. Wir wissen, daß die Uhren in Bayern in gewissen Dingen schon mal anders laufen, doch die Forderung von Vertretern der Bayerischen Motoren Werke (BMW) mit Sitz in München zur Schaffung von Kaufanreizen belegt an Absurdität derzeit den wohl ersten Platz. Hier wird laut darüber nachgedacht, für E-Autos eine separate Fahrspur, privilegierten Zugang zu Innenstädten oder kostenloses Parken all jenen zu offerieren, die sich in der aktuellen Absatzflaute, die insbesondere Deutschland aufgrund seiner Prämien-Abschaffung schwer erfaßt, für den Kauf eines E-Autos zu entscheiden.

Wer nun also vielleicht zukünftig in den Genuß solcher etwas abenteuerlichen Privilegien, die wohl vollends die Macht der Automobilkonzerne über den öffentlichen Raum, markieren würden, kommen möchte, müßte nach aktuellem Stand zunächst einmal damit zurechtkommen, eine hübsche Summe Geld an einen der Hersteller zu überweisen. Denn billig sind die derzeit verfügbaren Modelle selbst in der Grundausstattung nicht, und wer einen bescheidenen Standard in Sachen Fahrzeugausstattung beim Umstieg auf »E« beibehalten möchte, dürfte große Augen machen, spätestens jedoch, wenn es um die Reichweite eines der aktuellen E-Fahrzeuge geht.

Wer sich innerlich schon auf gratis Parken in München freut, könnte sich bereits weit vorher an einer belebten Autobahnraststätte bei der Suche nach einer freien Ladesäule wiederfinden, denn die Reichweiten sind nach wie vor ein großer Abschrecker, wenn es um eine E-Auto-Kaufentscheidung geht. Ganz zu schweigen davon, daß etwa BMW für seine E-Autos mindestens rund 60.000 Euro aufruft, und auch etwa VW mit 37.000 Euro für seinen »ID« in der real nicht einmal 300 km mit einer Ladung erreichenden Basis-Variante preis-leistungstechnisch nicht an vergleichbare Fahrzeuge im Verbrenner- oder Hybridsegment herankommt.

Vielleicht sind derartige Forderungen aber auch der verzweifelte Versuch, irgendwie gegenüber der asiatischen Konkurrenz bestehen zu können, die seit Jahren im Bereich der E-Mobilität entwickelt. Schließlich hat insbesondere die deutsche Automobilindustrie, geschützt durch jahrzehntelangen politischen Unwillen zur Mobilitätswende in Bonn und später Berlin, im Rennen um die E-Mobilität traditionell die rote Laterne.

Ein weiterer Dämpfer für eine sich entwickelnde E-Mobilität im Fahrzeugbereich dürften EU-Sanktionen gegen chinesische Automobilhersteller sein, welche die Kundenpreise steigen ließe und damit die Attraktivität der Anschaffung eines E-Autos solcher Hersteller dämpfen würden. Ein weiterer absurder Punkt mit Blick auf den propagierten EU-Mobilitätswandel, abgesehen von der Entwicklung einer Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, wie SUVs mit hunderten Kilo Batteriemasse an Bord, während Ladeinfrastruktur für die eingangs genannten Kleinfahrzeuge in der EU weiterhin vernachlässigt wird. Auch hier ist Asien viel weiter. Anstatt also Slapstick-Forderungen nach Privilegien im öffentlichen Raum für die Käufer ihrer Produkte sollte sich die Autoindustrie endlich daran machen, für den Bürger finanzierbare Alternativen anzubieten.