Leitartikel12. Juli 2024

Schleppende PID-Umsetzung, immer weniger Hausärzte – Fehlt der Wille?

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Die Nationale Gesundheitskasse CNS kommt bei der Bearbeitung von Kostenerstattungen an ihre Versicherten seit Monaten immer schlechter nach. Die Rückstände bei der Bearbeitung sind mittlerweile so gravierend, daß zuletzt rund 13 Wochen auf Geld gewartet werden mußte für Rechnungen, die mitnichten nur einfache Arztrechnungen im zweistelligen Euro-Bereich liegen. Vielfach warten Versicherte auf stattliche Summen, und nicht jeder von ihnen hat das finanzielle Polster, dieses Loch in der Haushaltskasse entsprechend abzufedern.

Werden Artbesuche, Scanner-Untersuchungen, Zahnprothesen oder eine neue Brille zum Luxusgut? Erst dieser Tage gab Gesundheitsministerin Martine Deprez zu, daß der Bearbeitungsrückstand zwar aufgrund eigens eingestellter Zeitarbeitskräfte habe etwas reduziert werden können, jedoch liege dieser noch immer zwischen 7 und 12 Wochen, was weiterhin eindeutig gegen die gesetzliche Grundlage verstößt. Die CNS-Filialen quer durchs Land hatten bereits vor Monaten begonnen, Rückerstattungsunterlagen wie Arztrechnungen nur noch auf Termin entgegenzunehmen. Was anfangs halbwegs gut funktionierte, ist mittlerweile ebenfalls überrannt. Zeitnahe CNS-Termine über MyGuichet sind kaum noch zu bekommen, Wartezeiten lang. Der Knoten um den Hals der Gesundheitskasse zieht sich immer weiter zu und die ersehnte Rettung, der Sprung nach vorn in die technologische Gegenwart durch die Einführung des »Paiement immédiat direct« (PID) scheint noch immer nicht die erhoffte Erleichterung zu bringen. So erklärte Ministerin Deprez im Zusammenhang mit einer parlamentarischen Anfrage, daß bisher nur rund 259 Mediziner sich diesem System angeschlossen hätten, bei welchem ein Versicherter beim jeweiligen Mediziner in der Praxis lediglich seinen Anteil bezahlt und eine Bescheinigung darüber mitbekommt, anstelle wochen- oder gar monatelang seinem Geld hinterherlaufen zu müssen.

Was nützt diesem Land teure und hochmoderne Diagnose- oder Behandlungstechnologie, wenn die Menschen sich aufgrund solcher mittelalterlicher Strukturen nicht in der Lage sehen, dann zum Arzt zu gehen, wenn es notwendig ist, weil sie fürchten müssen, monatelang auf die Rückerstattung zu warten? Ein weiteres Problem ist der Mangel an freien Terminen bei Spezialisten jeder Art, jedoch auch immer häufiger bei Allgemeinmedizinern. Luxemburg steuert derzeit tatenlos auf einen gefährlichen Engpaß bei Hausärzten zu. Bereits jetzt nehmen zahlreiche »Hausdokteren« keine Neupatienten mehr auf, oder es muß mit langen Wartezeiten gerechnet werden.

Dabei hilft auch eine bessere Zulassung von Ärzten aus Drittländern nur bedingt. Die spezielle Situation Luxemburgs setzt optimalerweise die Kenntnis von mehr als einer Landessprache voraus. Viele alteingesessene Luxemburger und auch viele deutsch- und englischsprachige Patienten haben Probleme mit rein frankophonen Ärzten und Personal. Wer sich beispielsweise die Wartelisten von Luxemburgisch oder Deutsch sprechenden Fachärzten anschaut und sie mit rein frankophonen Medizinern vergleicht, wird festgestellten, daß er bei letzteren deutlich schneller einen Termin bekommt. Die Frage ist nur, ob es Sinn macht.

Eine medizinische Fachausbildung, beziehungsweise ein entsprechendes Studium muß daher dringend auch hierzulande angeboten und angehende Mediziner durch entsprechende Angebote zum Bleiben ermutigt werden, wie es etwa bei der Landarztsuche in Deutschland geschieht. Auch die große und, wie in der Pandemie zu erleben war, nicht unproblematische Abhängigkeit von Grenzgängern im Gesundheitssektor könnte so abgemildert werden. Wichtig ist nur, daß Dinge zeitnah auf den Weg gebracht werden. Die aktuelle Lage ist kaum mehr hinnehmbar für ein modernes Land wie Luxemburg.