Tödliches Regime
Studie zu Wirtschaftssanktionen
Die Nachrichtenagentur Reuters überschrieb in der vergangenen Woche ihren Bericht über eine Studie des Ifo-Instituts München mit: »Wirtschaftssanktionen treffen vor allem ärmere Bevölkerung.« Das überrascht nicht. Ein Ziel von Sanktionen ist, dem Angreifer die Kosten einer militärischen Aggression zu ersparen. Er hilft in dem von Sanktionen betroffenen Land verdeckt nach, damit es zu Protesten, Aufständen und zum erwünschten »Regime-Change« kommt.
Von außen induzierte »Volksaufstände« sind eine Spezialität von CIA und britischem MI6 mindestens seit dem Sturz von Ministerpräsident Mohammad Mossadegh 1953 im Iran. Wer Ölkonzerne verstaatlicht, muß weg. Bürgerkrieg macht keinen völkerrechtlichen Ärger, erspart Bilder von toten Soldaten, die in Leichensäcken dorthin zurückkommen, wo alles angezettelt wurde, und erlaubt, die Hände in Unschuld zu waschen. Im Fall Mossadegh 60 Jahre lang.
Heute kommt hinzu: Selbst im Westen haben sie eventuell gelernt, daß Leichenberge beim Export von Demokratie und Menschenrechten in der übrigen Welt schlecht ankommen. Nach dem unkontrollierten Fluchtgetrampel aus Afghanistan 2021 und dem Scheitern des vor gut 20 Jahren von der damaligen USA-Sicherheitsberaterin und späteren Außenministerin Condoleezza Rice entworfenen »Greater Middle East Project« speziell in Syrien ist zwar der Appetit auf Krieg nicht vergangen, aber flankierende Zwangsmaßnahmen, etwa zum Waffengang gegen Rußland, werden Routine – zehntes, elftes, zwölftes Sanktions-»Paket«. Zählt noch jemand mit? Überblick nicht nötig, trifft nur Arme irgendwo im Osten.
Das haben die Menschenrechtsritter gewohnheitsmäßig eingepreist. Bemerkenswerter erscheint da eine Passage aus der Ifo-Studie, die von der Agentur Reuters nicht zitiert wird. Die Autoren geben darin eine Untersuchung aus dem Jahr 2020 wieder: »Die häufigsten Urheber von Wirtschaftssanktionen sind westliche Demokratien, vor allem die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, während afrikanische Länder die häufigsten Sanktionsziele sind.«
So hält man einen Kontinent unten. Der folgt nun mehrheitlich dem Westen nicht in den Feldzug gegen Rußland. In Berlin, Paris, London oder Washington scheint darob Verwunderung zu herrschen. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz irrte kürzlich ziellos durch Addis Abeba, dafür reiste inzwischen der kongolesische Präsident Félix Tshisekedi zwecks Handelsabkommen nach China. Reuters: »China will sich diese Woche den vertraglichen Zugriff auf Bodenschätze der Demokratischen Republik Kongo sichern.« Das schreit nach Sanktionen. In Kinshasa oder Peking kümmert das kaum einen.
Nicht nur die 500-jährige Wirtschaftsweise des Westens tötet, wie jüngst erneut der Papst meint. Die Ifo-Autoren halten fest: In sanktionierten Ländern sinkt die Lebenserwartung, die von Frauen stärker als die von Männern. Die Arroganz der Sanktionsverfüger ist mörderisch.