Teile und herrsche
Die gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten, die in Luxemburg während der Sommerschulferien traditionell heruntergefahren werden und während ganzer zwei Monate auf Sparflamme sind, werden mit dem Herbstbeginn wieder hochgefahren. Zwischendurch drehte die Welt sich weiter, auch wenn das hierzulande nicht immer zur Kenntnis genommen wird, beziehungsweise verdrängt wird.
Ohnehin kann man den Eindruck haben, dass immer mehr Menschen einfach abschalten, um sich nicht weiter mit »schlechten« Nachrichten auseinandersetzen zu müssen.
Das gilt für Ereignisse auf internationaler Ebene wie etwa der Völkermord, den Israel in Gaza betreibt oder der Krieg in der Ukraine, der immer mehr Gelder, Waffen und Menschen verschlingt. Das trifft aber auch auf gesellschaftliche und politische Fragen zu, die sich hierzulande stellen und die auf Antworten warten. Doch wer nicht unmittelbar von einem Problem betroffen ist oder zumindest glaubt, es nicht zu sein, interessiert sich einen feuchten Kehricht für dessen Lösung.
Übersteigerter Individualismus und Rückzug ins Private sind keine neuen Verhaltensweisen, sind inzwischen allerdings aufgrund soziologischer Veränderungen und der verheerenden Auswirkungen der neoliberalen Ellenbogengesellschaft in ausgeprägterer Form unter den schaffenden Menschen zu finden.
Den auf wirtschaftlicher Ebene Herrschenden und den auf politischer Ebene Regierenden, die dafür sorgen, dass ersteren die bestmöglichen Bedingungen für die Ausbeutung der Arbeitskraft gewährt werden, kann das nur recht sein, denn das erleichtert ihnen ihre Aufgabe, immer dann, wenn sie es als erforderlich sehen, jene wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen vorzunehmen, die sie wünschen.
Sollten die ideologischen und propagandistischen Mittel nicht ausreichen, um das Desinteresse an wichtigen Fragen ausreichend zu fördern und die Aufmerksamkeit der Schaffenden auf individuelle Befindlichkeiten und Nebenschauplätze zu lenken, bleibt immer noch die bewährte Strategie des »divide et impera« (teile und herrsche).
Aus der Vergangenheit gibt es genug Beispiele für diese Vorgehensweise, die es darauf angelegt hat, die großen Organisationen der Schaffenden entweder auf die Seite des Kapitals und der in seinem Interesse agierenden Regierung zu ziehen, oder, wenn das nicht gelingt, sie auseinanderzudividieren.
Als die CSV/LSAP-Regierung im Jahr 2012 Verschlechterungen im Rentensystem durchsetzte, achtete sie darauf, dass nur ein Teil der Schaffenden davon betroffen sein würde. Das hatte zur Folge, dass große Teile der Lohnabhängigen und Rentner sich nicht zum Widerstand gegen die Rentenverschlechterungsreform bewegen ließen. Und als das Patronat und die Regierung im Jahr 2022 den Index manipulierten, hatten sie ein leichtes Spiel, da ein Teil der Organisationen der Schaffenden sich dem anschloss, so dass der Schaden für die Schaffenden in Form der Verschiebung einer Indextranche nicht abgewendet werden konnte.
Um Ähnliches in Zukunft zu verhindern, wird es erstens notwendig sein, die Anstrengungen zu verstärken, um das Bewusstsein der Schaffenden weiter zu stärken, was keine leichte Aufgabe ist, und zweitens den Solidaritätsgedanken in und zwischen den Organisationen der Schaffenden an erste Stelle zu setzen. Andernfalls die Schaffenden nicht nur bei der anstehenden Rentenreform zu den Verlierern zählen werden.