Heiße Luft und Kalte Krieger
Das Militär der USA hat in den letzten Tagen mehrere Objekte abgeschossen, die sich über oder nahe dem Territorium der Vereinigten Staaten befanden. Den Anfang machte ein großer Ballon, der in 17 Kilometer Höhe flog und offenbar chinesischer Herkunft war. Trotz Dementi aus Peking wurde das Objekt von den Kalten Kriegern in Washington – heftig assistiert von den ebenso Kalten Kriegern in den Ländern des »Wertewestens« – unverzüglich als »Spionageballon« eingestuft, und USA-Präsident Biden persönlich befahl den Abschuß.
Die Reste des Ballons stürzten ins Meer und wurden unter großem Aufwand geborgen. Unter ebenso großem Aufwand wurde dann ein Mantel des Schweigens darüber gedeckt, denn Details der Untersuchungen würden wohl einräumen müssen, daß die Bezeichnung »Spionageballon« ziemlich weit entfernt von der Realität ist. Warum sollte China im Zeitalter der ausgefeilten Satellitentechnik einen nicht steuerbaren Ballon losschicken, um militärische Standorte in den USA zu fotografieren – und sich dabei auch noch erwischen lassen?
Seitdem können die Agenturen gar nicht mehr aufhören mit dem Entdecken immer neuer Flugobjekte, von denen zumeist niemand sagen kann, um welche Objekte es sich handelt und welchem Zweck sie dienen könnten. Allein die »Entdeckung«, das Rätselraten um eine mögliche »Bedrohung«, und schließlich das Abschießen reichen aus, um eine Stimmung des Kalten Krieges zu befeuern, wie man sie in den 50er Jahren kannte.
Der Befehlshaber des Nördlichen Kommandos der USA-Truppen, General Glen VanHerck, ist entschlossen, weiter gegen unbekannte Flugobjekte vorzugehen. Er überlasse es »den Geheimdiensten und der Spionageabwehr«, herauszufinden, ob es sich dabei um »Aliens« handeln könnte, sagte er am Sonntagabend. »Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts ausgeschlossen.« Der General führt immerhin das Nordamerikanische Luftverteidigungskommando Norad und erklärte: »Alles, was sich Nordamerika nähert, werde ich, wenn es unbekannt ist, identifizieren – und einschätzen, ob es eine Bedrohung darstellt. Wenn es eine Bedrohung ist, schieße ich es ab.«
Selbstverständlich sind sämtliche Objekte, die »unsere Sicherheit« – und womöglich auch »unsere Werte« – bedrohen, entweder chinesischer oder unbekannter Herkunft. Keine Rede ist von der Luftspionage der USA über China, oder dem mehrfachen Eindringen von USA-Spionageflugzeugen in den Luftraum Venezuelas in den Tagen, als die USA von einem chinesischen Ballon »bedroht« wurden.
Keine Rede ist davon, daß Spionagesatelliten, die von der Luxemburger Regierung und dem luxemburgischen Unternehmen SES betrieben werden, über der Ukraine russische militärische Positionen auskundschaften. Deren Daten werden dann von »unseren Verbündeten«, dem USA-Militär, an die ukrainischen Truppen übergeben für gezielte Angriffe auf Mannschaftsunterkünfte und Depots.
Man sollte meinen, in Zeiten des heißen Krieges in der Ukraine, in Zeiten des allmählichen Sterbens des Klimas, und auch angesichts der unermeßlichen Not der Menschen im Gebiet der schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien gäbe es eigentlich andere Prioritäten als die Sichtung von Ballons und UFOs. Doch selbst die Situation im Erdbebengebiet belehrt uns eines Schlechteren. Auch an diesem Wochenende haben türkische Kampfflugzeuge Angriffe gegen syrisches Territorium geflogen.