Schwerer Schlag für die Region
In dieser Woche erhielten die mehr als 4.500 Beschäftigten der Ford-Werke im saarländischen Saarlouis eine Hiobsbotschaft, die einer ganze Region inmitten von Corona-Pandemie und massiver Kriegsembargo-Teuerung eine weitere Sorge aufdrückt: Die Ankündigung des Automobilkonzerns Ford, sein neues Elektroauto im spanischen Valencia bauen zu lassen und nicht im etwas mehr als 40 km von der luxemburgischen Grenze entfernten Saarlouis.
In einer Betriebsversammlung wurden die rund 4.600 Beschäftigten des Werkes, in welchem aktuell der Ford Focus vom Band rollt, über die Entscheidung des Konzerns informiert und waren fassungslos, hatte man sich doch gute Chancen im Rennen um das neue Modell ausgerechnet. Der Betriebsrat des Werkes sprach davon, sogar die besseren Karten im internen Wettstreit um die neue Produktionslinie gehabt zu haben. Dennoch kam am Mittwoch das Aus für die Bewerbung und damit gleichzeitig die Ankündigung von Ford, man wolle »evaluieren«, was nach dem Ende der Focus-Produktion im Jahr 2025 am Standort geschehen werde. In Deutschland soll Ford zufolge lediglich am Standort Köln für die Zukunft investiert werden, die vom US-Autokonzern bisher mit Blick auf alternative Antriebe in großen Zügen verschlafen wurde.
Kritisiert wurde von den Betriebsräten in Saarlouis vor allem auch, wie die Belegschaften beider Standorte gegeneinander ausgespielt worden seien, und daß das Auswahlverfahren alles andere als transparent gewesen sei. In Anbetracht von sich seit rund 15 Jahren beständig verschlechternden Arbeitsbedingungen bei Ford in Valencia sei diese inszenierte Konkurrenz lediglich ein Vorwand gewesen, um die Beschäftigten in Spanien in diesem Zusammenhang noch weitere Kröten schlucken zu lassen, bevor man ihnen die Produktion des E-Autos überträgt.
Rund 3.000 Ford-Arbeiter strömten im Anschluß an die Versammlung auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen. Auf ihrer Demonstrationsstrecke gesellten sich spontan Arbeiter der Völklinger Hütte solidarisch dazu. Zwar erhielten die Beschäftigten in Saarlouis eine Arbeitsplatzssicherheit bis 2025, was danach kommt, wurde vom Konzern wie erwähnt, derart vage umrissen, daß mit dem Schlimmsten zu rechnen ist. Dies wäre eine Katastrophe, nicht nur für die mehr als 4.500 Beschäftigten bei Ford direkt, sondern auch für zahllose Arbeitsplätze von Automobil-Zulieferbetrieben, Gastronomie, Einzelhandel und anderen Betrieben vor Ort, die vom Werk und seinen Angestellten gelebt haben. In den letzten Jahren wurden bereits mehrmals Arbeitsplätze abgebaut, Schichten gestrichen und Zeitarbeit gefahren, um den Standort zu unterstützen. Die Quittung gab es dafür an diesem Mittwoch.
Von »Detroit-Kapitalismus« war seit der Verkündung im deutschen Blätterwald die Rede. Lassen wir die Stadt einfach außen vor und nennen wir es, wie es ist: Kapitalismus. In diesem Fall sogar ein fast schon klassisches Lehrstück desselben, in dem offen und schamlos demonstriert wird, was Beschäftigte in selbigem sind: Nichts weiter als ein Kostenfaktor.
Die Schicksale von Familien sind dabei ebenso wenig relevant, wie eine ganze Region. Ein erneutes Beispiel dafür, wer nicht »im selben Boot« sitzt.