Qasem Suleimani und die »Achse des Widerstandes«
Hassan Nasrallah würdigt den iranischen General, der die Widerstandsgruppen im Nahen und Mittleren Osten unterstützte und zur Eigenständigkeit antrieb
Die Rede von Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der libanesischen Hisbollah am Mittwochabend, war seit Tagen angekündigt. Anlaß war der 4. Jahrestag der Ermordung von Qasim Soleimani, Kommandeur der Quds-Einheit der iranischen Revolutionsgarden. Soleimani war am 3. Januar 2020 kurz nach seiner Ankunft am Flughafen von Bagdad durch eine Drohne des USA-Militärs getötet worden. Mit ihm starben Abu Mahdi Al-Muhandis, Brigadegeneral der Volksmobilisierungskräfte im Irak und alle Begleiter der beiden hochrangigen Militärs.
Die Rede begann mit Glückwünschen an die Gläubigen zu Weihnachten, der Geburt des Propheten Jesus sowie für das neue Jahr. Es folgte die Würdigung aller Gefallenen und Toten in Gaza, in den besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland, Iran, Irak, Syrien und im Libanon. Ausdrücklich nannte Nasrallah die Kommandeure, die von den USA und Israel mit gezielten Angriffen getötet worden waren. Qasem Soleimani, Abu Mahdi Al-Muhandis (Bagdad 2020), Radhi al-Moussawi (Damaskus 2023) und Saleh Al-Arouri (Beirut 2024) und ihre jeweiligen Begleiter wurden als enge Verbündete und Brüder hervorgehoben.
Warnung vor Angriff Israels
General Suleimani sei derjenige gewesen, der alles getan habe, um jede Widerstandsgruppe in der Region zu unterstützen und ihnen zu Selbstständigkeit zu verhelfen. Suleimani habe die Kommunikation zwischen den Gruppen im Irak, Syrien, Libanon und im Jemen gefördert und so zur Bildung der »Achse des Widerstandes« beigetragen. Er habe die Vertreibung der Besatzungstruppen der USA aus dem Irak 2011 maßgeblich unterstützt. Die Operationen gegen den Feind, den Staat Israel, seien koordiniert worden, doch jede der Widerstandsgruppen habe entsprechend den Bedingungen im eigenen Land und selbstständig operiert, betonte Nasrallah. In diesem Sinne würden Journalisten und Politiker die Natur der Beziehungen zwischen dem Iran und den Widerstandsgruppen sowie der Widerstandsgruppen untereinander nicht verstehen.
An Israel gewandt erklärte Nasrallah, die Hisbollah habe – trotz der militärischen Möglichkeiten Israels und trotz der Drohungen seitens der USA – am 8. Oktober ihre militärischen Operationen gegen Israel zur Unterstützung der Palästinenser und des Widerstandes »angesichts des zionistischen Krieges gegen Gaza« begonnen. Es seien abgewogene Angriffe, die den nationalen Interessen des Libanon entsprächen. Die Hisbollah sei damit einem »Überraschungsangriff« der israelischen Armee zuvorgekommen. Sollte Israel aber einen »totalen Krieg gegen den Libanon« beginnen, werde es für den Widerstand der Hisbollah keine Grenzen geben.
Israelische Siedler sind »enttäuscht«
Israelische, deutsche und andere westliche Medien interpretierten die Rede Nasrallahs als »Kriegsdrohung gegen Israel«. Die israelische Tageszeitung »Yedioth Ahronoth« berichtete am Donnerstag, die Stadtverwaltung von Haifa habe beschlossen, die städtischen Bunker für die Bevölkerung zu öffnen. Sie ließ ehemalige Bewohner der Siedlungen entlang der Waffenstillstandslinie zu Wort kommen, die seit dem 7. Oktober zu Zehntausenden evakuiert wurden. Einige ließen ihren Unmut über die israelische Regierung und die Israelischen Streitkräfte freien Lauf.
Eitan Davidi vom Stadtrat der Siedlung Moshav Margaliot, die 1951 – auf den Ruinen des palästinensischen Ortes Hunin – gegründet worden war, äußerte sich »sehr enttäuscht« darüber, daß die Armee Israels gegen Hamas, aber nicht gegen die Hisbollah kämpfe. Andere Medien schreiben mit Bezug auf die gezielte Tötung von Saleh Al-Arouri, Vizechef der Hamas, darüber, »daß wir jemanden eliminiert haben, der das verdient hat und was gemacht werden mußte. Unsere Antwort muß eindeutig sein und unsere militärische Kraft muß abschrecken.« Der Staat Israel habe einmal gewußt, wie man »abschrecke und die Botschaft eines solchen Attentats hätte den Feind erschreckt«. Es sei nicht akzeptabel, daß »unser entschlossenes Handeln« dazu führt, daß »wir vor der Antwort unserer Feinde erschrecken«.
Der Westen warnt die jemenitischen Houthis
Die deutsche Bundesregierung in Berlin verschärfte ihre Sicherheitswarnung für den Libanon und forderte alle Deutschen in dem Land zur Ausreise auf. Angesichts der Tötung von Saleh Al-Arouri könne eine »weitere Verschärfung der Lage und Ausweitung des Konflikts« nicht ausgeschlossen werden, so das Auswärtige Amt. Gleichzeitig wurde bekannt, daß die Bundesregierung mit einer Reihe weiterer Staaten die jemenitischen Ansarallah (»Houthi«-Bewegung) davor warnt, weiterhin Handelsschiffe im Roten Meer anzugreifen. Es handle sich um eine »Bedrohung der Freiheit der Schifffahrt, die der Pfeiler des globalen Handels auf einem der weltweit wichtigsten Seewege ist«, heißt es in der am 3. Januar 2024 veröffentlichten Erklärung. Sollte das nicht aufhören, würden »die Houthis die Folgen zu verantworten haben«. Man bleibe »der regelbasierten internationalen Ordnung verpflichtet und (… ) entschlossen, böswillige Akteure für widerrechtliche Inbesitznahmen und Angriffe zur Rechenschaft zu ziehen.«
Die Ansarallah begründen ihre Angriffe auf Handelsschiffe mit dem Krieg gegen Gaza. Mit Angriffen und Behinderungen hätten Handelsschiffe zu rechnen, die für Israel bestimmt seien oder die im Auftrag von Verbündeten Israels unterwegs seien. Ziel der Angriffe sei es, Druck auszuüben für einen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme von Gesprächen, so die Ansarallah. Die USA und einige ihrer Verbündeten lehnen wie Israel weiterhin einen Waffenstillstand ab.
Die Erklärung gegen die Ansarallah wurde bis auf Bahrain ausschließlich von Staaten unterzeichnet, die nicht in der Region liegen. Neben den USA, Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Deutschland und Italien setzten Japan, die Niederlande, Neuseeland und Britannien ihre Unterschrift unter das Papier. Eine militärische Allianz zur Sicherung ihrer Handelsschiffe im Roten Meer, die von den USA kurzfristig aufgestellt worden war, ist nicht zustande gekommen. Italien, Frankreich, Britannien und Spanien erklärten, ihre Schiffe in der Region agierten unter nationaler Kontrolle. Weder die arabischen Golfstaaten noch andere Regional hatten sich dem Vorhaben der USA angeschlossen.