Leitartikel17. August 2024

Der Elefant im Porzellanladen

von Ali Ruckert

Darf man es einem CSV-Politiker, der wenige Monate bevor er Arbeitsminister in einer Koalition mit der DP wurde, forderte, auch der gesetzliche Mindestlohn müsse indexiert werden, übelnehmen, wenn er mitten im Sommer öffentlich über die Abschaffung des Kollektivurlaubs im Bauwesen fabuliert, ohne auch nur das Patronat und die Gewerkschaften über seine Absichten in Kenntnis gesetzt zu haben?

Über die Mindestlohn-Topechkeet des CSV-Kandidaten lachten damals sogar die Hühner im ganzen Land, allerdings dürften die rezenten Aussagen des Arbeitsministers zum Kollektivurlaub im Bauwesen vielen sauer aufgestoßen sein.

Seit 1975 gibt es im Sommer Kollektivurlaub im Hoch- und Tiefbau sowie in Teilen des Bauhandwerks, der es vielen Bauarbeitern portugiesischer Herkunft möglich macht, in einem Stück zwei oder drei Wochen Urlaub in Portugal zu machen, und vielen Betrieben die Arbeitsorganisation erleichtert.

Während der Zeit des Kollektivurlaubs ruht die Arbeit im Bauwesen allerdings nicht vollständig. Jahr für Jahr gibt es hundert und mehr Sondergenehmigungen für Arbeiten, die dringend fertiggestellt werden müssen, zum Beispiel wenn Grundschulen und Lyzeen fertiggebaut, beziehungsweise renoviert werden müssen oder dringende Straßenbauarbeiten anfallen.

Über die Anträge für Sondergenehmigungen entschiedet nicht die Gewerbeinspektion, wie Herr Mischo im Radio behauptete, sondern ein Adhoc-Ausschuss, dem jeweils zwei Vertreter der Gewerkschaften und des Patronats angehören, während ein Vertreter der Gewerbeinspektion deren einvernehmliche Entscheidungen schriftlich festhält.

Der Arbeitsminister der CSV/DP-Regierung findet den Kollektivurlaub im Bauwesen aber nicht mehr »zeitgemäß« und schließt nicht aus, dass Unternehmen gesetzlich gezwungen werden könnten, Sondergenehmigungen anzufragen, wenn es der Regierung in den Kram passen sollte. Uns würde interessieren, ob der Angriff auf den Kollektivurlaub allein auf dem Mist des Arbeitsministers gewachsen ist?

Neben dem Kollektivurlaub im Bauwesen verhält sich der Arbeitsminister auch in der Frage der Sonntagsarbeit wie der Elefant im Porzellanladen.

Es ist eine Erkenntnis, die man bereits in der mehr als 150 Jahre alten kommunistischen Schrift »Lohn, Preis und Profit« von Karl Marx findet: Sind einem Kapitalisten bei der Steigerung der Arbeitsintensität der Beschäftigten Grenzen gesetzt, wird er versuchen, die Arbeitszeiten auszuweiten, um die Ausbeutung zu erhöhen und zu mehr Profit zu gelangen.

Seit längerem gibt es hierzulande zunehmend Vorstöße des Handelskapitals, die Arbeitszeiten noch weiter zu flexibilisieren, die Sonntagsarbeit über die bestehenden gesetzlichen Vorgaben hinaus auszudehnen und auch an Feiertagen zu öffnen.

Der CSV-Arbeitsminister sieht seine Rolle offenbar darin, sich deren Profitinteressen unterzuordnen und das Gesetz dahingehend zu ändern, dass an Sonntagen acht Stunden gearbeitet werden darf. Womit er ganz gewiss nicht nur dem Bischof und seinen katholischen Glaubensbrüdern auf die Zehen treten wird, für die der Sonntag kein gewöhnlicher Arbeitstag ist und es auch nicht werden sollte.

Angesichts des salaliatsfeindlichen Vorpreschens des CSV-Arbeitsministers werden die Schaffenden und ihre Organisationen mit dem Ende der Sommerschulferien solidarisch und entschlossen handeln müssen. Denn auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!