Vor dem US-amerikanisch-chinesischen Gipfel in San Francisco
Den schlimmsten Krieg verhindern
Der weitere Verlauf oder das Ende des Ukraine- wie des Gazakriegs sind gegenwärtig eine Variable des Rennens um die Präsidentschaft in den USA. Am Freitag illustrierte das ein Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) über die jüngste Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber. Der Biotechunternehmer Vivek Ramaswamy habe als einziger gefordert, die Unterstützung für Kiew komplett einzustellen: »Wolodimir Selenskij sei ein ›Komiker in Cargohosen‹, die Ukraine kein ›Inbegriff der Demokratie‹.« Außerdem habe Joseph Biden fünf Milliarden US-Dollar Schmiergeld aus Kiew erhalten. Gegenargument der Mitbewerberin Nikki Haley, früher Botschafterin bei der UNO, war der Einfluß solcher Äußerungen auf den Speichelfluß Wladimir Putins und Xi Jinpings, die »bei der Vorstellung sabbern, daß so jemand amerikanischer Präsident werden könnte«.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis kam wie stets flugs auf die Weltgefahr Migranten an der Südgrenze der USA zu sprechen. FAZ: »Dort würden die Truppen gebraucht. Er werde niemals ›unsere Söhne und Töchter in die Ukraine schicken‹ – eine Aussage, die auch Biden wiederholt hervorgehoben hat.« In Umfragen führt Trump, der an der Show nicht teilnahm, mit mehr als 50 Prozent das Bewerberfeld für die Kandidatur der Republikaner vor solchen Figuren an.
Mit Müll-TV dieser Art im Hintergrund wollen sich angeblich Biden und Xi Jinping morgen in San Francisco treffen. Offiziell bestätigt war das da noch nicht, dennoch schrieb Matthias Nass schon am Donnerstag in der »Zeit« erleichtert: »Auch wenn das Treffen weitab von den gegenwärtigen Kriegsgebieten stattfindet – für den Weltfrieden könnte es die in diesen Zeiten wichtigste Begegnung sein.« Sprächen »die Führer der beiden mächtigsten Staaten nicht miteinander«, meint der internationale Korrespondent der deutschen Wochenzeitung, sei »die Gefahr noch größer, daß sich die Regionalkriege in der Ukraine und in Nahost zu einem Weltenbrand ausweiten«. Offenbar sei ihnen bewußt geworden, »wie gefährlich der sich verschärfende Konflikt zwischen beiden Weltmächten zu werden drohte«.
Nass hält fünf Punkte dieser Konfrontation fest: erstens ein machtpolitisches Ringen um »Vorherrschaft im indopazifischen Raum und um die Frage, wer künftig in der Weltpolitik den Ton angibt«. Zweitens eine wirtschaftlich-technologische Konkurrenz. Drittens ein »Wettrüsten, nun auch bei den Atomwaffen«. Viertens ein Systemwettbewerb Demokratie gegen Autokratie. Fünftens ein Ringen um die künftige Weltordnung, wobei es laut Nass um »universelle Menschenrechte« gegen Staaten geht, »die sich jede Einmischung von außen verbieten.«
Bei den letzten beiden Punkten handelt es sich um alte Hüte, die verschlissen sind. Plausibler ist, was Nass aus einem »Foreign Affairs«-Artikel des früheren Pentagonchefs Robert Gates zur Lage der USA zitiert: »Niemals standen sie gleich vier verbündeten Antagonisten gegenüber – Rußland, China, Nordkorea und Iran –, deren Atomwaffenarsenal insgesamt in wenigen Jahren fast doppelt so groß sein könnte wie ihr eigenes. Seit dem Koreakrieg mußten sich die Vereinigten Staaten nicht mehr mit mächtigen militärischen Rivalen in Europa und Asien gleichzeitig auseinandersetzen. Und niemand, der heute lebt, kann sich an eine Zeit erinnern, in der ein Gegner eine so große wirtschaftliche, wissenschaftliche, technologische und militärische Macht hatte wie China heute.«
Nass erwartet von dem Gipfel in San Francisco keinen Frieden in der Ukraine und in Nahost, schreibt aber doch das Entscheidende zum vielleicht beginnenden Dialog: »Gleichgültig, wie mühsam dieser sein wird. Solange er nur einen dritten Krieg, den schlimmsten von allen, verhindert.«