Leitartikel20. Oktober 2022

»Geet et elo duer« bei der Post?

von Ali Ruckert

Die Liberalisierung des Postbereichs, die von der EU im Interesse großer Privatunternehmen durchgepeitscht wurde, hat weder zu einer Verbesserung der Dienstleistungen für die Bürger noch der Arbeits- und Lohnbedingungen der Beschäftigten geführt. Das Gegenteil ist der Fall, und die Erfahrungen, die in Luxemburg seit der Liberalisierung der Briefpost im Jahr 2012 gemacht wurden, bestätigen das, auch wenn die Post in Luxemburg ein öffentlich-rechtliches Unternehmen geblieben ist und nicht privatisiert wurde, wie das in anderen EU-Ländern der Fall ist.

Zu den vielen negativen Folgen der Liberalisierung, die von den Regierungen, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, vorangetrieben und von der Generaldirektion der Post in der Praxis systematisch umgesetzt wurde, gehört auch, dass das öffentliche Statut der Beschäftigten der Post zunehmend untergraben wurde.

Zur Erinnerung: Die KPL hatte sich damals kategorisch gegen die Liberalisierung und Privatisierung im Energie-, Post- und Eisenbahnbereich ausgesprochen und die Gewerkschaften aufgerufen, sich gemeinsam dagegen zur Wehr zu setzen. Doch die Gefahren wurden offenbar unterschätzt, und verschiedene Gewerkschaftsvertreter in den Verwaltungsräten öffentlich-rechtlicher Betriebe stimmten sogar für die Privatisierung. Es gab keine massiven öffentlichen Proteste – weder gegen die Privatisierung des Statuts noch gegen die Schließung von Postagenturen –, wie das erfordert gewesen wäre, um diesen Anschlag auf den öffentlichen Besitz und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten abzuschmettern.

Im Postbereich, wo immer mehr Beschäftigte mit öffentlichem Statut, die in Rente gingen, durch schlecht bezahlte Beschäftigte mit privatrechtlichem Statut eingestellt wurden, hatte die P&T-Gewerkschaft, die größte Gewerkschaft aus dem Postbereich, 2015 wohl eine Klage wegen Verstoßes gegen das Postgesetz eingereicht, in dem es geheißen hatte »Le régime des agents de l’entreprise est un régime de droit public«. Aber die Gewerkschaft wurde von der Generaldirektion, den Vertretern der Regierung im Verwaltungsrat und vom Postminister hingehalten, und 2016 mit einem neuen Postgesetz, mit dem die Einstellungen unter dem privatrechtlichen Statut gesetzlich verankert wurden, ausgetrickst.

Die Gewerkschaften marschierten getrennt und wurden getrennt geschlagen, auch weil sie offenbar der festen Überzeugung waren, dass eine »sozialpartnerschaftliche« Lösung in den Gremien gefunden werde, so dass massive öffentliche Proteste sich erübrigen würden, was eine Fehleinschätzung war.

Ein Jahrzehnt später hat die Situation sich so zugespitzt, dass die P&T-Gewerkschaft, die eine gefühlte Ewigkeit nicht zu einer Pressekonferenz eingeladen hat und sich auch ansonsten mit öffentlichen Kritiken an unhaltbaren Arbeitsverhältnissen und mit gewerkschaftlichen Aktionen zurückhält, öffentlich erklärte: »Mir waren elo 10 Joer laang fair a roueg, mä elo geet et duer!«.

Diese Erkenntnis kommt spät und erfolgte kurz vor der Wahl der Vertreter der Lohnabhängigen für den Verwaltungsrat der Post. Aber ist es je zu spät, wenn es darum geht, die Interessen der Lohnabhängigen zu verteidigen und auf alle gewerkschaftlichen Mittel zurückzugreifen, um sie durchzusetzen?

Das setzt natürlich voraus, dass die Gewerkschaften aus dem Postbereich sich nicht auseinanderdividieren lassen und bereit sind, die Arbeits- und Lohnbedingungen konsequent und ohne »sozialpartnerschaftliche« Rücksicht auf politische Befindlichkeiten solidarisch zu verteidigen. In diesem Fall können sie jedenfalls der Unterstützung der Kommunisten sicher sein.