Die Personalvertreter des OGBL bei Liberty Steel Düdelingen, Hubert Lacouture und Paul Lionti, haben das Wort
»Wir wollen produzieren und hoffen auf einen Neuanfang«
Die Beschäftigten von Liberty Steel in Düdelingen erleben gegenwärtig schwere Stunden, denn das Werk, in dem Flachstahl beschichtet wird, steht auf der Kippe, seit die Spekulationsgeschäfte seines Besitzers, des britisch-indische Stahlherrn Sanjeew Gupta, die Hüttenwerke von Liberty Steel stark erschütterten.
Hubert Lacouture und Paul Lionti, die zwei Personalvertreter des OGBL, erinnern sich daran, dass es bei der Übernahme des Werkes durch Liberty Steel große Versprechen gab. Zuerst war die Rede davon, dass in Lüttich und in Düdelingen zusammengenommen 100 Millionen investiert werden sollten, dann hieß es, in die Modernisierung des Werkes in Düdelingen würden 10 Millionen Euro investiert. Der neue Besitzer, Herr Gupta kam eigens nach Düdelingen und versicherte, er habe große Pläne, die Zukunft des Werkes und die Arbeitsplätze seien abgesichert.
Unsere Gewerkschaft war damals skeptisch, so Paul Lionti, da wir bereits unter Arcelor/Mittalzuvor die Erfahrung gemacht hatten, dass angekündigte Investitionen sehr schnell verschoben werden konnten, um dann nicht verwirklicht zu werden. Zuvor war das Werk aus Düdelingen abhängig von der Lieferung von Flachstahlrollen aus dem Werk von Arcelor/Mittal im französischen Florange, unter Gupta wurde der Flachstahl dann aus Lüttich angeliefert.
Hochriskante, undurchsichtige Finanzgeschäfte
Hellhörig sei man geworden, als die Finanzgesellschaft Greensill Capital, über welche Sanjeew Gupta seine Geschäfte abgewickelt hatte, in Konkurs ging.
2020, lange bevor die australische Holding in eine Schieflage geriet, hatte die »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« bereits über die hochriskanten Geschäfte des britisch-indischen Stahlherren berichtet. So richtig zur Kenntnis genommen wurde das allerdings erst, als die Versicherungsgesellschaften, welche die undurchsichtigen Finanzgeschäfte von Greensill Capital abgesichert hatten, sich aus dem Geschäft zurückzogen, so dass erst die Holding abstürzte und anschließend die Gesellschaft GFP Alliance, die im Besitz von Liberty Steel ist, ins Wanken geriet.
Seither kamen wir nicht mehr zur Ruhe, erinnert sich Hubert Lacouture. Erst wurde ein Restrukturierungsplan und frisches Geld in Aussicht gestellt, um die Gläubiger und die Lieferanten zu bezahlen und die Produktion abzusichern, doch dann geschah nichts und die Produktion in Flémalle, Tilleur und Düdelingen ging immer weiter zurück, obwohl bereits zu jenem Zeitpunkt die Preise für beschichteten Flachstahl sehr hoch waren und gutes Geld hätte verdient werden können. Immerhin haben wir eigentlich eine Produktionskapazität von 450.000 Tonnen im Jahr und viele treue Kunden.
Die vielen Versprechen waren nur schöne Worte
Von den ursprünglichen Versprechen blieb nichts als schöne Worte, stellt Paul Lionti fest. Wir bekamen keine Informationen über die tatsächliche Lage, und bei jeder Nachfrage des OGBL war die Direktion in Düdelingen sichtlich überfordert und vermochte keine Antworten auf die dringenden Fragen zu geben, über mögliche Investitionen oder darüber, ob die Zulieferung von Flachstahlrollen gesichert sei, beziehungsweise, wann die Produktion wieder in vollem Umfang aufgenommen werde. In der Praxis sahen wir aber, dass immer weniger produziert wurde, und sich kein Licht am Ende des Tunnels abzeichnete.
Da Düdelingen von den Werken in Flémalle und Tilleur abhängig ist, sahen wir schließlich einen Lichtschimmer für Düdelingen, als das Handelsgericht in Lüttich im November 2021 den von Gupta eingereichten Restrukturierungsplan guthieß, doch das war schnell vorbei, denn es wurde kein Geld investiert, um kurzfristig die Produktion wieder hochzufahren, noch um die Stahlstandorte langfristig durch Investitionen abzusichern, bedauert Hubert Lacouture. Inzwischen war sogar kein Betriebsvermögen mehr da um die die für die Produktion notwendigen Materialen einzukaufen. Es ist keineswegs übertrieben, um hier von Mißmanagement zu reden.
Dass Liberty Steel Lüttich inzwischen in Liquidation gesetzt wurde, war ein Schock für die Stahlarbeiter, gleichzeitig aber auch eine Erleichterung, da damit die Voraussetzungen geschaffen wurden, um industrielle Interessenten zu finden, welche die Werke übernehmen würden, denn die Produktion von Flachstahl ist nach wie vor hoch profitabel.
Verkompliziert hat sich die Situation noch dadurch, dass Gupta Einspruch gegen die Liquidation erhoben hat, so dass weitere wertvolle Zeit verloren geht, bevor es zu einem Neuanfang kommen könnte.
Erst eine Liquidation, dann ein Neuanfang?
Nachdem was in Lüttich passiert ist, schließen die Personalvertreter des OGBL nicht aus, dass auch in Düdelingen eine Liquidation erfolgen könnte, denn der Betrieb ist inzwischen auf sich allein gestellt, hat aber nicht das nötige Geld, um die Produktion in vollem Umfang wieder aufzunehmen.
Je länger das dauert, umso schwieriger wird das sein, stellt Paul Lionti fest, auch wenn ein neuer industrieller Investor gefunden würde, was nicht auszuschließen ist. Denn inzwischen kehrten manche Kollegen mit großem Know how dem Betrieb den Rücken oder gingen in Rente, so dass der Mangel an ausgebildeten Stahlarbeitern zügig zu beheben sein wird.
Keine Löhne im April: Die Beschäftigten werden so langsam ungeduldig
Eine herbe Enttäuschung für die Beschäftigten in Düdelingen, die seit langem kurzarbeiten, war, dass der Plan zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung, den die Gewerkschaften mit der Direktion von Liberty Steel Düdelingen aushandeln wollten, um sicherzustellen, dass für die Zeit der Umstrukturierung keine betriebsbedingten Entlassungen möglich wären, daran scheiterte, dass Liberty Steel nicht die notwendigen Finanzen zur Verfügung stellte. Und das hatte wiederum zu Folge, dass der Antrag auf Kurzarbeit für den Monat April verworfen wurde.
Wer also wird die Löhne der 190 Beschäftigten von Liberty Steel Düdelingen bezahlen, die inzwischen weitgehend gezwungen sind, im Leerstand zu drehen, da es keine Produktion gibt, fragen Hubert Lacouture und Paul Lionti. Die Kollegen fangen so langsam an, richtig ungeduldig zu werden.
Nach Gesprächen mit dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium haben die Personalvertreter zwar das Gefühl, dass die Bereitschaft besteht, den Beschäftigten kurzfristig unter die Arme zu greifen, aber langfristige, definitive Lösungen sind bisher nicht in Sicht, umso mehr unklar bleibt, welche weiteren Manöver der derzeitige Besitzer noch vornehmen wird.
Wir wollen nicht die Däumchen drehen, sondern produzieren und gute Flachstahlprodukte herstellen, so Hubert Lacouture und Paul Lionti. Noch hoffen sie auf einen Neuanfang.
Mit den Personalvertretern des OGBL
sprach Ali Ruckert