Ausland19. September 2024

Ausverkauf

»Allgemeiner Rückgang« bei Italiens Industrieproduktion. Meloni-Regierung sucht Heil in Privatisierungen

von Gerhard Feldbauer

Ein Bericht von Italiens staatlichem Statistikamt Istat vom Dienstag alarmiert, daß die Industrieproduktion des Landes von einem »allgemeinen Rückgang« gekennzeichnet ist, von dem besonders die Textil- und Automobilsektoren betroffen sind. Im Juli 2024 betrug der Rückgang gegenüber Juni insgesamt 0,9 Prozent. Betrachtet man das Mai-Juli-Quartal, beträgt der Rückgang 0,4 Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten.

Auf Jahresbasis berechnet sinkt der Index im Juli 2024 tatsächlich um 3,3 Prozent im Vergleich zum Juli 2023, heißt es im Istat-Bericht, der weiter anführt, daß Leidtragende auch die Sektoren Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakproduktion (-2,0 %), die Hersteller von Transportmitteln (-1,8 %) und das sonstige verarbeitende Gewerbe (-0,9 %) sind. Hinzu kommen der Bergbau (-5,9 %), die Holz-, Papier- und Druckindustrie (-5,1) und der Maschinenbau (-4,3 %).

»Die verfügbaren Daten deuten derzeit nicht darauf hin, daß die Phase des Rückgangs der Industrieproduktion zu Ende ist«, heißt es bei Istat. »Die Unsicherheit, die die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten kennzeichnet«, mache es auch schwierig, »Hypothesen über eine Umkehr der Indikationen aufzustellen«.

Seitens der Regierung fehle es dazu völlig an Visionen und Perspektiven, stellt die Gewerkschaft CGIL auf ihrer Plattform »Collettiva« fest. Es bestehe »die offensichtliche Gefahr«, von allen Investitionsprozessen, die laut der Europäischen Union in Bezug auf Industrieproduktion und »Wettbewerbsfähigkeit« umgesetzt werden müssen, »völlig abgeschnitten zu werden«, erklärte der CGIL-Nationalsekretär Pino Gesmundo, der zugleich festhält, das sei Ergebnis einer Regierung, deren einziges Rezept darin bestehe, die letzten öffentlichen Vermögenswerte zu privatisieren, die für die Wiederbelebung des Industriesektors und eine sinnvolle Bewältigung der unvermeidlichen Digitalisierungs- und Energiewende unerläßlich sind.

Tatsächlich sucht die Meloni-Regierung ihr Heil in Privatisierungen. Zur Eindämmung der auf fast drei Billionen Euro angewachsenen Staatsverschuldung hat sie im Januar dieses Jahres per Dekret ein breites Privatisierungsprogramm beschlossen, darunter den Verkauf eines Teils der Staatsanteile von 29 Prozent an der Poste Italiane. Mit rund 13.000 Zweigstellen betreibt der Staatskonzern nicht nur den Postversand, sondern auch Versicherungs-, Bank- und Telekommunikationsdienstleistungen.

Nur die Spitze des Eisbergs

Trotz einer Teilprivatisierung 2014 hat das Unternehmen noch immer eine Monopolstellung inne, da weitere 35 Prozent von der Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) gehalten werden, die sich wiederum zu rund 82 Prozent im Besitz des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen befindet. Damit werde die Post weiterhin mehrheitlich in staatlicher Hand bleiben, beschwichtigte Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti damals.

Der Verkauf von Staatsanteilen der Post ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs mit Blick auf das Privatisierungsprogramm, das Giorgia Meloni umsetzen will. Das betrifft auch die Veräußerung eines Anteils am halbstaatlichen Energiegiganten Eni, von dem eine 4-Prozent-Beteiligung auf den Markt kommen soll, was circa 2 Milliarden Euro in die Staatskasse bringen soll.

Die staatlichen Eisenbahnen Trenitalia sollen ebenfalls Privatgesellschaftern geöffnet werden. Auch wenn das Einnahmen von 20 Milliarden Euro bringen würde, blieb das der berüchtigte »Tropfen auf den heißen Stein«. Deshalb steht im Focus Melonis ein Filetstück, die Telecom Italia Mobile (TIM), deren Festnetz, die Telecom Italia (TI), für bis zu 22 Milliarden Euro an den US-amerikanischen Investor KKR & Co abgegeben werden sollen, der bereits mit etwa zwei Milliarden Euro an der FiberCop, der TI-Breitbandsparte, beteiligt ist. Die Turiner Zeitung »La Stampa« prognostizierte bereits zu Beginn dieser Privatisierungswelle, daß der Verlust an Dividenden unter dem Strich größer sein werde als die Einnahmen durch die Privatisierungen.