Krisengewinnler Delhaize will Löhne drücken und Arbeitszeit erhöhen
Der belgischen Supermarktkette Delhaize, die auch in Luxemburg, Griechenland, Tschechien, Rumänien und Serbien sowie außerhalb Europas in den USA und sogar im südostasiatischen Indonesien insgesamt rund 8.000 Filialen hat, geht es prächtig. Im vergangenen Jahr haben die weltweit fast 414.000 Mitarbeiter des 2016 vom niederländischen Lebensmittelmulti Ahold aufgekauften Konzerns einen satten Gewinn von 2,5 Milliarden Euro geschaffen.
Das entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Jahr 2021 von rund 300 Millionen Euro. Wobei die neuerlichen Rekordzahlen einer Recherche für die Nachrichtensendung des öffentlichen niederländischen Senders NOS zufolge zumindest zum Großteil auf Preissteigerungen »unter dem Vorwand hoher Inflationsraten« zurückzuführen sind.
Doch über die Rekordzahlen können sich nur die Aktionäre des Unternehmens freuen, nicht aber die den Mehrwert produzierenden Schaffenden. Einem Großteil von ihnen will das Delhaize-Management sogar noch die Löhne um bis zu 30 Prozent kürzen, sie in Zukunft noch »flexibler« einsetzen und ihre Arbeitsverträge verschlechtern.
Dazu bedient sich die Konzernführung des bei Kapitalisten beliebten Franchisetricks. So sollen die 128 größten der rund 700 Delhaize-Filialen in Belgien abgestoßen und an Franchisenehmer verscherbelt werden, die die Geschäfte dann formal selbständig führen sollen. Gleichzeitig bleiben sie aber an die Infrastruktur und insbesondere die Logistikkette des Dachkonzerns angeschlossen.
Das Großunternehmen wiederum muß sich dann nicht mehr mit dem Management seiner einzelnen Filialen beschäftigen. Für die Gewerkschaften aber würde das bedeuten, daß sie dann schlechtestenfalls mit bis zu 128 verschiedenen Franchisenehmern konfrontiert wären. Das würde die konzernweite Organisierung der Schaffenden enorm erschweren. Von den aktuellen Plänen des Managements sind laut Gewerkschaftsangaben ungefähr 9.200 Schaffende in Belgien betroffen, die Lohnkürzungen, Personalabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchten.
Zu Recht geht aus einer Beschäftigtenbefragung des Christlichen Gewerkschaftsbundes CSC/ACV hervor, nach der die Arbeitsbedingungen in den rund 600 kleineren Filialen, die bereits nach dem Franchisemodell operieren, deutlich schlechter sind. Demnach erhalten Angestellte in diesen Filialen im Durchschnitt 25 Prozent weniger Lohn, erhalten weniger Zuschläge und haben längere Arbeitszeiten. Die kleineren Delhaize-Filialen müssen zudem sonntags öffnen, um profitabel zu sein.
Doch die belgischen Gewerkschaften leisten seit Wochen einen beeindruckenden Abwehrkampf gegen den Franchisetrick bei Delhaize. Mit Blockaden, Streiks und Manifestationen wollen sie nicht nur die Ausgründung der Filialen verhindern, sondern unter dem Motto »Gleicher Lohn und gleiche Rechte für gleiche Arbeit« auch einen einheitlichen Kollektivvertrag für die Schaffenden in den übrigen rund 600 formal unabhängigen Franchiseunternehmen mit dem Delhaize-Logo erkämpfen.
Gerade vor dem Hintergrund der gewaltigen Konzerngewinne in den vergangenen Krisenjahren ist die Stimmung in der Belegschaft kämpferisch und die Streikbereitschaft hoch. Da nützt es auch nicht, daß die Delhaize-Direktion wie zuletzt Ende vergangener Woche Streikblockaden der Gewerkschaften von Gerichtsvollziehern auflösen läßt, um Streikbrechern den Weg zu bahnen.