Leitartikel28. Juni 2024

Keine Zeitenwende im Wohnungsbau

von Ali Ruckert

Das »Observatoire de l’habitat« hat diese Woche festgestellt, dass die Hauspreise innerhalb eines Jahres um 10,9 Prozent zurückgingen, und die Zahl der Transaktionen im Bereich der im Bau befindlichen Wohnungen sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres auf gerade mal 92 Verkäufe beschränkte, im Vergleich zu durchschnittlich 667 im ersten Quartal der Jahre 2017 bis 2022.

Im Gegensatz zu den Hauspreisen gingen die Mieten keineswegs zurück, sondern stiegen zwischen 2022 und 2023 stark an und zeigen auch heute noch immer eine Tendenz nach oben. Schneller stiegen dafür in letzter Zeit die Mieten von möblierten Zimmern, welche inzwischen immerhin in etwa 15 Prozent des gesamten Angebots an Mietwohnungen ausmachen.

Zu dieser Entwicklung beigetragen hat die hohe Nachfrage, die unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass manche Familien, die eine Wohnung kaufen wollten, wegen der hohen Zinsen gezwungen waren, das Handtuch zu werfen, und es bei einer Mietwohnung belassen mussten. Für viele andere Mieter bleiben da nur möblierte Zimmer übrig, es sei denn, sie mieten sich im französischen, belgischen oder deutschen Grenzgebiet ein, wie das inzwischen immer mehr tun.

Der Bericht des »Observatoire de l’habitat« bringt keine grundlegend neuen Erkenntnisse, sondern unterstreicht lediglich, wie dramatisch die Situation inzwischen im Bereich des Wohnungsbaus ist.

Angesichts dessen ist das von der Regierung angekündigte und inzwischen in Teilen auf den gesetzlichen Weg gebrachte Maßnahmenpaket zur Belebung des Wohnungsbaumarktes nur ein Tropfen auf den heißen Stein, abgesehen davon, dass wieder einmal den sogenannten »Investoren« in die Tasche gearbeitet wird. Da wundert es nicht, dass die »Chambre des salariés« in ihrer Einschätzung des Wohnungsbaupakets kaum ein gutes Haar daran läßt.

Die CSV/DP-Regierung befindet sich in einem Dilemma, das sich nur dadurch von dem vorangegangener Regierungen, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, unterscheidet, dass die Situation im Wohnungsbau sich noch einmal deutlich verschlechtert hat. Wie kann dem wachsenden Mangel an Wohnungen, wie dem Armutsrisiko, dem immer mehr Menschen ausgesetzt sind wegen der hohen Mieten, entgegengewirkt werden, ohne den Spekulanten, Baulöwen und Miethaien auf die Zehen zu treten und die politisch gewollte Dauerkrise zu beenden?

Am Anfang steht die knallharte Wahrheit, dass eine Wohnung hierzulande eine Ware wie jede andere ist, die es drei Dutzend großen Spekulanten und vielen kleinen Trittbrettfahren möglich macht, sich an einem elementaren Bedürfnis der Menschen zu bereichern, und die Regierung ihnen dazu passende Rahmenbedingungen liefert, die garantieren, dass sie sich angesichts der Mangelwirtschaft im Wohnungsbau noch lange Zeit eine goldene Nase verdienen können.

Die homöopathischen Maßnahmen, welche von Zeit zu Zeit von den Regierenden ergriffen werden, werden im Wohnungsbau keine Zeitenwende einleiten. Anders der planmäßige Bau von 50.000 bezahlbaren Mietwohnungen innerhalb von zehn Jahren, wie das die Kommunisten vorschlagen, um zu erreichen, dass Wohnungsnot und Armut deutlich eingeschränkt würden.

Um das durchzusetzen, gibt es aber weder die politischen Mehrheiten, noch die notwendige soziale Bewegung unter den Schaffenden, die ein politisches Umdenken erzwingen könnte. Es bleibt also noch viel zu tun, um das zu ändern.