Gemeinsam gegen die Folgen der Krise
Gipfel karibischer und lateinamerikanischer Staaten für »Antiinflationsfront«. Kuba vertieft Beziehungen zu China und Indien
Die Vertreter von elf Ländern Lateinamerikas und der Karibik haben am Mittwoch vergangener Woche bei einem virtuellen Gipfel gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung von Inflationsfolgen sowie zur Stärkung der regionalen Integration und des Handels vereinbart. Die teilnehmenden Staaten wollen eine gemeinsame »Antiinflationsfront« in der Region schaffen, mit dem Ziel, die Preise für Lebensmittel, Treibstoffe und andere wichtige Güter zu senken, die Ernährungssicherheit auch für die ärmsten und schwächsten Teile der Bevölkerung zu garantieren sowie den regionalen Austausch von Waren und Dienstleistungen zu fördern, hieß es in einer Erklärung.
Bei der auf Anregung von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador organisierten Videokonferenz wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen, um einen gemeinsamen Aktionsplan zu erarbeiten. Über dessen Umsetzung soll auf einem weiteren Treffen am 6. und 7. Mai im mexikanischen Cancún beraten werden.
Neben der Regierung Mexikos beteiligten sich an dem Treffen Staats- und Regierungschefs sowie Repräsentanten aus Argentinien, Belize, Bolivien, Brasilien, Chile, Honduras, Kolumbien, Kuba, Venezuela und St. Vincent und den Grenadinen. Der karibische Inselstaat vertrat die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC), deren temporäre Leitung er derzeit innehat.
Die Teilnehmer luden andere Regierungen ein, sich ihrer Initiative anzuschließen, »um zum allgemeinen Wohlstand in Lateinamerika und der Karibik beizutragen«. Die Vereinbarungen des Gipfels basierten auf einer »gemeinsamen Sichtweise der aktuellen Situation«, berichtete die mexikanische Tageszeitung »La Jornada«. Nach Einschätzung der teilnehmenden Länder werde die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln und Grundstoffen, einschließlich Getreide und Energie, vor allem durch »die multidimensionale Krise der Weltwirtschaft« beeinträchtigt, »die durch überregionale militärische Konflikte gekennzeichnet ist«.
Weitere Gründe seien die negativen Folgen der Covid-19-Pandemie, die Auswirkungen des Klimawandels auf Landwirtschaft und Ernten, hohe Auslandsschulden und Zinsen sowie völkerrechtswidrige Zwangsmaßnahmen, von denen einige Länder betroffen seien. In der Debatte wurden vor allem die Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und Nicaragua kritisiert, durch die die Krise in diesen Ländern zusätzlich verschärft würde.
Die Arbeitsgruppe soll nun Möglichkeiten für regionale Kooperationsmaßnahmen definieren, um die Kosten für Rohstoffe und Produktionsmittel wie chemische und organische Düngemittel zu senken. Die Abschaffung von Handelsbarrieren und Zöllen könne die Inflation bremsen und eine bessere Verfügbarkeit von Lebensmitteln und Gütern sicherstellen, regte Mexikos Präsident López Obrador an.
Zugleich wollen sich die Länder um flexiblere Mechanismen für den Zugang zu internationalen Krediten bemühen, die eine Ausweitung der multilateralen Finanzierung von landwirtschaftlichen, agroindustriellen und infrastrukturellen Projekten für den Warenverkehr ermöglichen. Es gebe »noch viele Hindernisse zu überwinden, um den Teufelskreis zu durchbrechen, der die lateinamerikanische und karibische Region in einer so schwierigen Situation hält«, kommentierte das kubanische Onlineportal »Cubadebate« die Ergebnisse des Gipfels.
Gleichzeitig haben die Regierungen Chinas und Kubas vereinbart, ihre Zusammenarbeit auszubauen. Zu diesem Zweck reiste Kubas Vize-Premierminister Jorge Luis Perdomo, vor einer Woche mit weiteren Regierungsvertretern nach Peking. Bei dem Besuch ging es vor allem um neue Kooperationsprojekte in der Telekommunikation, der Biotechnologie und im Gesundheitswesen.
Beide Länder unterzeichneten ein Abkommen zur Eröffnung eines Labors in der chinesischen Millionenstadt Chengdu, das sich der Forschung in den Bereichen Neurotechnologie und Bioengineering widmen soll. Zuvor hatten Spezialisten eines im Mai 2021 eingeweihten kubanisch-chinesischen Innovationszentrums in Yongzhou den Gast über Fortschritte bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen häufig auftretende Krankheiten informiert. Laut Prensa Latina wurden dort unter anderem bereits mehrere neue Produkte zur Bekämpfung von Krebs, einigen neurologischen Erkrankungen sowie Infektionskrankheiten entwickelt. Sein Besuch ziele darauf ab, die Pläne zu konkretisieren, die während der Reise des kubanischen Präsidenten Miguel Díaz-Canel im vergangenen November in diesen Bereichen vereinbart worden waren, erklärte Vizepremier Perdomo.
Zu Beginn der vergangenen Woche hatten die kubanische Kommunikationsministerin Mayra Arevich und die chinesische Vizeministerin für Cyberspaceverwaltung, Cao Shumin, bereits ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Cybersicherheit unterzeichnet. Damit, so Prensa Latina, werde die Kooperation bei der Entwicklung der Telekommunikation in Kuba gestärkt. »Wir haben Maßnahmen vereinbart, um die Netze weiter auszubauen. Für ›4G‹ und Breitbandtelefonie ist die Zusammenarbeit mit China und seinen Einrichtungen von entscheidender Bedeutung, da es einer der wichtigsten strategischen Partner bei der Entwicklung der Telekommunikation ist«, sagte Perdomo.
Neben China will – trotz USA-Blockade – auch Indien, ein weiteres Mitglied der BRICS-Gruppe aufstrebender Volkswirtschaften, zu der auch Brasilien, Rußland und Südafrika gehören, im Bereich der digitalen Transformation mit Kuba zusammenarbeiten. Nach Gesprächen mit dem Sekretär des indischen Ministeriums für Elektronik und Informationstechnologie, Alkesh Kumar Sharma, in Neu-Delhi erklärte die stellvertretende kubanische Ministerin für Kommunikation, Grisel Reyes, gegenüber Prensa Latina, daß sich beide Seiten über die Installation von Technologien der nächsten Generation wie »5G« und »6G« ausgetauscht hätten.
Von Interesse seien auch Kooperationen in Bereichen wie künstliche Intelligenz, Big Data und Blockchain, ferner die Einrichtung eines Hochleistungsrechenzentrums sowie die gemeinsame Nutzung von Open-Source-Plattformen. Laut der kubanischen Tageszeitung »Granma« wies Reyes auf einem Forum der Economic Trade Organization of India auch auf die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen beider Länder hin, um den Technologiemarkt in Lateinamerika zu erschließen.