Keine weitere Unterordnung
Mercosur wird sich kein Freihandelsabkommen von der EU diktieren lassen
Der Mercosur-Gipfel in der vergangenen Woche im argentinischen Puerto Iguazú steht für ein neues Verhältnis zwischen Südamerika und der EU. Die vier Vollmitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft bekräftigten in der Abschlußerklärung zwar ihr Interesse an dem seit 1999 geplanten Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, wollen sich die Bedingungen aber nicht diktieren lassen.
Trotz einer grundsätzlichen Einigung im Jahr 2019 wurde das Abkommen bisher nicht unterzeichnet. Der gastgebende argentinische Staatschef Alberto Fernández erklärte das mit der »mangelnden Bereitschaft« der EU, einen »fehlenden Konsens« zu finden.
Deutlich wurde, wie sehr sich die Machtverhältnisse in den vergangenen vier Jahren zum Nachteil der EU verändert haben. Das Freihandelsabkommen mit der EU komme nur zustande, wenn es »für beide Seiten von Vorteil ist«, heißt es in der Abschlußerklärung. Alberto Fernández, der den Pro-tempore-Vorsitz des Mercosur auf dem Gipfel an Brasiliens Präsidenten Luiz Ignácio Lula da Silva übergab, lehnte die 2019 während der Regierungszeit seines rechten Vorgängers Mauricio Macri vereinbarten Eckpunkte zum Abkommen ab.
Der Mercosur habe damals »zu viele Zugeständnisse gemacht«, lautete seine Begründung. »Niemand kann uns dazu verdammen, die Lieferanten von Rohstoffen zu sein, die von anderen industrialisiert werden, damit sie die Produkte zu Wucherpreisen an uns verkaufen können«, zitierte die Tageszeitung »Página 12« den Präsidenten.
Weiter kritisierte der argentinische Staatschef, daß die EU ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung nachträglich in ein Zusatzprotokoll eingefügt hatte, das nun Verpflichtungen in Umweltfragen und Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung vorsieht. Für Alberto Fernández ist das Ausdruck einer »einseitig auf die Umwelt ausgerichteten Vision«. Die »drei Säulen der Nachhaltigkeit, nämlich die ökologische, die wirtschaftliche und die soziale Dimension«, würden nicht gleichrangig berücksichtigt.
Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero warnte die EU – auch mit Hinweis auf ein geplantes Treffen mit der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) am 17. und 18. Juli in Brüssel – vor einem »grünen Protektionismus«, mit dem ungleiche Bedingungen zementiert werden sollten. Ähnlich argumentierte Lula da Silva. Er wolle »keine Politik, bei der Sie gewinnen und die Menschen hier verlieren«, sagte er. Nach Übernahme des temporären Mercosur-Vorsitzes versprach Lula, das Abkommen nur dann abzuschließen, wenn es »ausgewogen ist und genügend Spielraum zugunsten einer produktiven Integration und Reindustrialisierung« garantiere. »Wir haben kein Interesse daran, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die uns zur ewigen Rolle des Rohstoffexporteurs verdammt«, griff er die Erklärungen seines Vorgängers auf.
Der demnächst um Bolivien erweiterte Mercosur-Block kann sich das Selbstbewußtsein gegenüber der EU leisten. Zum einen, weil Südamerika der weltweit größte Nahrungsmittelproduzent ist und zudem weltweit über den größten Teil der Rohstoffe verfügt, die für die aktuelle Energieversorgung, aber auch für die »Mobilitätswende« unverzichtbar sind. Und zum anderen, weil sich mit China, Rußland, anderen BRICS-Ländern und Vietnam potente Interessenten um Kooperationen auf Augenhöhe bewerben.
EU-Mitglieder wie Deutschland haben sich dagegen durch Sanktionen gegen Rußland und Maßnahmen gegen China selbst in eine Position der Schwäche manövriert. Für die Energiewende sind EU-Unternehmen auf Rohstoffe wie Lithium angewiesen, das fast ausschließlich in Lateinamerika vorkommt. Bis auf weiteres können sie auch auf Kohle, Erdöl und andere fossile Energieträger nicht verzichten, die dort in großen Mengen gefördert werden. Die Zeiten, in denen Europa den Ländern des globalen Südens Bedingungen für Verträge diktieren konnte, sind offenbar vorbei.
Auch der Mercosur ist nicht konfliktfrei. Die Abschlußerklärung wurde von Argentinien, Brasilien und Paraguay unterzeichnet, Uruguays Präsident Luis Lacalle Pou aber verweigerte seine Unterschrift. Entgegen den Mercosur-Statuten will er ein bilaterales Handelsabkommen mit China abschließen.