Kaleidoskop05. September 2024

Grenfell-Katastrophe: Inkompetenz und Profitgier

von dpa/ZLV

London – Inkompetenz und Profitgier: Mehr als sieben Jahre nach dem verheerenden Brand in dem Londoner Hochhaus Grenfell Tower hat ein Untersuchungsbericht Behörden und Unternehmen ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Bei dem Feuer im Stadtteil North Kensington im Juni 2017 starben 72 Menschen. Der im 4. Stockwerk ausgebrochene Brand hatte sich rasend schnell über die Fassade des insgesamt 24-stöckigen Sozialbaus ausgebreitet. Dabei hatte vor allem die Fassadenverkleidung eine fatale Rolle gespielt, wie sich bei der seit Jahren laufenden Untersuchung herausstellte.

Die Fassade war erst kurz zuvor mit einer Isolierung und Verkleidung versehen worden, um den bereits 1974 fertiggestellten Wohnturm ansehnlicher und energieeffizienter zu machen. Doch die Fassadenteile aus Aluminium mit Kunststoffkern waren völlig ungeeignet und wirkten wie Brandbeschleuniger. Daß sie dennoch installiert wurden, lag an einer schier endlosen Kette von Fehlverhalten und Versagen bei Behörden und Unternehmen, geht aus dem aktuellen Bericht hervor. So wurden Brandschutzbestimmungen mißachtet, Testergebnisse manipuliert oder falsch dargestellt und Warnungen in den Wind geschlagen.

»Die einfache Wahrheit ist, daß die Todesfälle alle vermeidbar waren«, empörte sich der Präsident der Untersuchungskommission, Martin Moore-Bick. Die Katastrophe sei »das Ergebnis jahrzehntelangen Versagens« der britischen Regierung und anderer verantwortlicher Stellen »hinsichtlich der Verwendung brennbaren Materials an den Außenmauern von Hochhäusern«. Ursache sei in erster Linie »Inkompetenz« gewesen, in manchen Fällen aber auch »Profitgier«.

Auch der Feuerwehr wurden Fehler angelastet. So hatte sie den Menschen viel zu lange geraten, im brennenden Gebäude zu bleiben und auf Hilfe zu warten. Dabei zeichnete sich schnell ab, daß die Flammen rasch den ganzen Tower erfassen werden. Für viele wurden ihre Wohnungen zur Todesfalle. Viele Überlebende und Hinterbliebene fordern seit langem Konsequenzen. Doch strafrechtliche Folgen hat die Untersuchung nicht. Ob und wann es zu Anklagen kommen wird, ist ungewiß.