Ausland16. Juli 2024

Trump legt die Linie fest

Parteikonvent der Republikaner trifft sich in Milwaukee. Attentatsversuch läßt Zustimmungswerte steigen

von Max Böhnel, New York

Nach dem Attentat auf Präsidentschaftsbewerber Donald Trump mahnen sowohl der Republikaner als auch Amtsinhaber Joe Biden zur »Einheit« und werben für einen gemäßigteren Ton im Wahlkampf. Die politische Debatte im Land sei sehr hitzig geworden, sagte Biden. »Es ist Zeit, sie abzukühlen«. »Wir alle haben die Verantwortung, das zu tun«, mahnte er. Gewalt sei nie eine Lösung. »Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne. So machen wir es – an der Wahlurne, nicht mit Kugeln», sagte Biden nach dem Attentat, bei dem Trump am Samstag verletzt worden war.

Trump warb vor Beginn des Parteitags der Republikaner für eine »Überwindung der politischen Spaltung im Land«. Er habe seine ursprünglich geplante und sehr angriffslustige Rede für den Parteitag verworfen, sagte der 78-Jährige in einem Interview mit der Boulevardzeitung »New York Post«. »Ich will versuchen, das Land zu einen«, sagte Trump.

Ein Mann hatte am Samstag bei einer Wahlkampfrede im Bundesstaat Pennsylvania auf Trump geschossen und ihn am Ohr verletzt. Der Täter, laut Bundespolizei FBI ein 20 Jahre alter Mann aus der Region, wurde von Sicherheitskräften getötet. Ein Motiv machten die Ermittler noch nicht aus, das FBI geht Berichten zufolge jedoch davon aus, daß der Schütze alleine handelte. Er habe mit einem halbautomatischen Gewehr vom Typ AR-15 geschossen.

»Fight! Fight! Fight!«

Während sich die Delegierten Republikanischen Partei in Milwaukee versammelt haben, wird USA-Präsident Joe Biden am Dienstag und Mittwoch in Las Vegas Wahlkampfveranstaltungen abhalten. Nach einer Mitteilung des Weiße Hauses will Biden am Dienstag eine Tagung der Bürgerrechtsbewegung NAACP in Las Vegas besuchen. Am Mittwoch geht es in derselben Stadt zu einer lokalen Wahlkampfveranstaltung. Eine Reise nach Texas wurde angesichts des jüngsten Attentatsversuchs auf Donald Trump kurzfristig abgesagt.

»Fight! Fight! Fight!« – T-Shirts mit dem Ruf des am Ohr blutenden Trump, der die Faust gen Himmel reckt, sind seit Montag in Milwaukee Verkaufsschlager Nummer eins. Zu dem Nominierungsparteitag der Republikaner, der am Montagabend eröffnet wurde, sind rund 50.000 Teilnehmer in die Stadt im Bundesstaat Wisconsin gereist. Formal werden Donald Trump und sein von ihm ernannter Kandidat für die Vizepräsidentschaft – dessen Name traditionell zu Beginn bekannt gegeben wird – offiziell als Kandidaten der Republikanischen Partei für die Präsidentschaftswahl am 5. November nominiert.

Diese Aufgabe übernehmen 2.429 Delegierte aus den Bundesstaaten, die ihr Votum entsprechend den Ergebnissen in den parteiinternen Vorwahlen abgeben. Tausende von Parteimitgliedern aus Ortsgruppen im ganzen Land folgen den Reden und dem Unterhaltungsprogramm. Am Mittwochabend ist eine Rede des Vizepräsidentschaftskandidaten geplant. Am Donnerstag kulminiert das Republikanertreffen mit der Nominierung von Donald Trump und seiner »Krönungsrede«.

Auf der Rednerliste stehen Mitglieder der Trump-Familie, darunter auch seine Söhne Donald Trump Junior und Eric, Kongreßmitglieder, Unternehmer und Prominente. Geplant sind außerdem Reden von vier potentiellen Vizepräsidentenkandidaten: Senator J.D. Vance aus Ohio, Senator Marco Rubio aus Florida, Senator Tim Scott aus South Carolina und Doug Burgum, dem Gouverneur von North Dakota.

Auftritt von Nikki Haley und Gewerkschaftsführer

Überraschend ist ein Auftritt der Ex-Gouverneurin von South Carolina und früheren Botschafterin der USA bei der UNO, Nikki Haley, am Dienstag. Sie war im März aus dem »Rennen« um die republikanische Präsidentschaftskandidatur ausgestiegen. Trotz scharf formulierter Kritik im Wahlkampf unterstützte sie Trump zwei Monate später öffentlich. Schließlich forderte sie ihre Delegierten auf, auf dem Parteitag für Trump zu stimmen. Bis vor kurzem stand sie nicht auf der Rednerliste. Mit ihrer dann doch erfolgten Einladung zur Teilnahme erhofft sich Trump offenbar, daß sich auch konservative Republikaner, die sich von ihm abgewandt haben, doch wieder auf seine Seite schlagen.

Laut Programm sollte zur besten Sendezeit am Montagabend (Ortszeit) der Vorsitzende der Teamsters-Gewerkschaft Sean O‘Brien eine Rede halten. Ob es zu diesem ungewöhnlichen Auftritt kommen würde, war jedoch bis zuletzt unklar. Denn die innergewerkschaftliche Opposition der Teamsters sammelt seit Tagen Unterschriften für einen Aufruf an O‘Brien, seine Rede wieder abzusagen. Einige Funktionäre des 1,3 Millionen Mitglieder umfassenden Verbandes bezeichneten in einem intern zirkulierenden Brief die Zusage O‘Briens als »skrupellos«. Ein Auftritt würde die Zustimmung zur »gewerkschaftsfeindlichsten Partei und ihres Präsidenten« seit Generationen signalisieren, hieß es darin. Die Teamsters-Führung hält offen, wen sie unterstützt, im Gegensatz zum Dachverband AFL-CIO, der sich hinter Joe Biden gestellt hat. Seit Jahrzehnten hielt kein Chef einer Großgewerkschaft eine Rede bei den Republikanern.

Mit weiteren Programmpunkten versucht die Partei den Eindruck zu erwecken, sie vertrete »den kleinen Mann«. Am Mittwoch soll der Bürgermeister von East Palestine im Bundesstaat Ohio, Trent Conaway, sprechen. Im Winter 2023 waren in dem Ort hochgiftige Chemikalien aus einem entgleisten Güterzug ausgetreten. Trump war damals als einziger prominenter Politiker zur Stelle und übte scharfe Kritik am Krisenmanagement seines Amtsnachfolgers Joe Biden.

»Parteiprogramm« nach Trumps Gusto

Am Montag vergangener Woche hatte das Steuerungsgremium der Partei, die Republican National Convention, einem 16-seitigen Dokument – dem »Parteiprogramm« – zugestimmt. Trump hatte es zuvor persönlich mit seinem Rotstift nach Gusto zurechtgeschrieben. Möglich war dies, weil er vor vier Monaten seine Schwiegertochter Lara Trump an die Spitze des Gremiums gesetzt hatte. Lara Trump hat in der Vergangenheit die Lüge ihres Schwiegervaters vom »Wahlbetrug« 2020 bei jeder öffentlichen Gelegenheit wiederholt.

Das Dokument heißt »Make America Great Again!« Die erste Forderung lautet: Grenze dichtmachen und Migranteninvasion stoppen. Die Trump-Regierung werde »die größte Abschiebungsoperation der amerikanischen Geschichte« durchführen. Als Begründung wird unter Punkt 10 genannt, die USA würden von einer »migrantischen Verbrechensepidemie« heimgesucht.

Die Plattform der »Partei Trumps« strotzt vor weiteren xenophoben und antidemokratischen Kernpunkten. Dabei ist sich der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat bewußt, daß er, um die Wahlen zu gewinnen, seine Wählerbasis verbreitern und sich als disziplinierter Kandidat staatsmännisch verhalten muß, und zwar jenseits seines »MAGA«-Kults, ohne diesen zu entfremden.

Laut »Cook Political Report« verfügt Trump zwar bereits über historisch hohe Zustimmungsraten von Wählergruppen, die bislang eindeutig den Kandidaten der Demokratischen Partei zuzuordnen waren. 21 Prozent der Afroamerikaner sowie jeweils 41 Prozent der Latinos und der jungen Wähler würden für Trump stimmen. Er führt in sieben »Swing States«, in denen die Wahlen wahrscheinlich entscheiden werden, in Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, Georgia, North Carolina, Nevada und Arizona. Aber die Wahlen sind noch nicht entschieden. Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten hat eine schlechte Meinung von Trump, auch wenn Joe Bidens Umfragen im Keller liegen.

Gerade um Frauen nicht zu verschrecken, weichte Trump beim Thema Abtreibungen das frühere Republikaner-Wahlprogramm, das ein bundesweites Abtreibungsverbot gefordert hatte, wieder auf. Zwar wird die Entscheidung des Obersten Gerichts vor zwei Jahren, in dem es Einzelstaaten die Kompetenz über das Abtreibungsrecht zuschrieb, gelobt. Aber auf Trumps Betreiben hin ist in dem aktuellen Programm nur davon die Rede, die Partei lehne »Abtreibungen im späten Stadium« ab.

»Project 2025« plant Umbau des Staates

Die Demokratische Partei bemühte sich in der Woche vor dem Attentatsversuch auf Trump, die Aufmerksamkeit im Wahlkampf auf ihr »Project 2025« zu lenken. Joe Biden verwies auf den gleichnamigen Strategieplan der ultrakonservativen »Denkfabrik« Heritage Foundation. Falls Trump gewählt wird, schlägt die Vereinigung in dem über 900-seitigen Dokument konkrete Schritte hin zum autoritären Staatsumbau vor. Zunächst sollen zehntausende Staatsbedienstete durch Trump- und Republikaner-loyales Personal ersetzt werden, etwa in der Bundespolizei FBI, aber auch in zivilen Behörden.

Eine Verschlankung der angeblich »aufgeblähten Bürokratie« beinhaltet die gänzliche Abschaffung des Bildungsministeriums und die Beschränkung der Kompetenzen der Umweltbehörde. Unter anderem soll dabei die Wetterbehörde, die für Unwetterwarnungen zuständig ist, geschleift werden. Ein Verhütungsmittelverbot auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem 19. Jahrhundert wird vorgeschlagen. Zudem ist im »Project 2025« die Rede von Massenlagern für Menschen ohne gültige Einwanderungspapiere. Die Armee soll sie aufspüren und einsperren, bis sie abgeschoben werden. Der Plan umfaßt 12 Millionen Menschen.

Die »Washington Post« hatte schon im November 2023 eine anonyme Quelle zitiert. Danach schwebt den Autoren vor, einer neu gewählten Trump-Regierung die sofortige Berufung des »Insurrection Act« aus dem Jahr 1807 zu empfehlen. Damit könnte das Militär zur inländischen Strafverfolgung eingesetzt und das Justizministerium angewiesen werden, Trump-Gegner zu verfolgen.

Der Projektleiter Paul Dans, ein Ex-Mitarbeiter der Trump-Regierung, hatte davor gesagt, das Projekt bereite sich »systematisch darauf vor, ins Amt zu marschieren und eine neue Armee Konservativer mitzubringen«, um gegen den »tiefen Staat« zu kämpfen.

Der Präsident der Heritage Foundation sagte vor wenigen Wochen in einem Interview, »die zweite amerikanische Revolution« werde »unblutig verlaufen«, wenn die Linke es zulasse. Nach dem Bekanntwerden von »Project 2025« distanzierte sich Donald Trump auf seiner Social-Media-Plattform »Truth Social« davon. Er wisse nichts von seiner Existenz. Dabei waren Dutzende von hochrangigen Angestellten in seiner ersten Amtszeit in seinem Kabinett an der Zusammenstellung des Dokuments beteiligt.

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Kommunisten der USA gegen Gewalt

Der Anschlag auf Donald Trump werde die politische Krise im Land weiter verschärfen, erklärt die Kommunistische Partei der USA (CPUSA) am Sonntag in einer Stellungnahme. »Wir kennen die Folgen von Attentaten auf Politiker zur Genüge und wir haben bereits mehrmals betont, daß die CPUSA Gewalt und Terror ablehnt, denn sie dienen nur den Interessen der Kräfte des Hasses und der Spaltung des Landes.«

Weiter erklärt die Partei: »In diesen komplizierten Zeiten rufen wir unsere Mitglieder und Freunde auf, wachsam zu bleiben und jegliche Provokationen von jeglicher Seite zurückzuweisen. Wir sind für gewaltlose Formen des Kampfes, denn wir widmen uns den wichtigsten Problemen, mit denen die Menschen in den USA konfrontiert sind: der Völkermord in Gaza, die Klimaveränderungen, Abtreibungsverbote, Wahlrecht und Rechte von Immigranten, die Krise im Gesundheitswesen, Polizeigewalt, gleiche Rechte für alle. Wir erinnern an den Traum von Martin Luther King und die Tradition der Einbeziehungen der Menschen in massive Proteste als Weg zu echten Veränderungen, zu Frieden und Fortschritt.«