Ausland28. Juni 2024

Putschversuch in Bolivien vereitelt

Kürzlich entlassener Befehlshaber der Armee als mutmaßlicher Drahtzieher verhaftet

von dpa/ZLV

In Bolivien haben Teile des Militärs versucht, die Regierung zu stürzen. Am Mittwoch besetzten Soldaten zunächst den zentralen Platz der Stadt La Paz. Ein Reporter der britischen Nachrichtenagentur Reuters berichtete von einem gepanzerten Fahrzeug, das den Zugang zum Präsidentenpalast durchbrochen habe. Auf Bildern aus La Paz waren viele Soldaten zu sehen, die die Zugänge zu dem Platz sperrten.

Der kürzlich entlassene Befehlshaber der Armee, Juan José Zúñiga, gilt als Drahtzieher des Putschversuchs. Er erklärte, die drei Spitzen der Streitkräfte wollten »ihre Bestürzung zum Ausdruck bringen«. »Es wird sicher ein neues Kabinett geben, die Dinge werden sich ändern, aber unser Land kann so nicht weitermachen wie bisher«, sagte er einem lokalen Fernsehsender.

Schon am Mittwochnachmittag (Ortszeit) sah die Lage in La Paz jedoch ganz anders aus: Da wurde Zúñiga verhaftet. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen ihn und seine Mitverschwörer ein. Zúñiga werde Terrorismus und bewaffneter Aufstand gegen die Sicherheit und Souveränität des Staates vorgeworfen. Bereits am Donnerstag sollte eine offizielle Anklage erfolgen und eine erste Anhörung vor Gericht stattfinden.

Boliviens linker Präsident Luis Arce von der Partei MAS (Movimiento al Socialismo) und der abtrünnige General standen sich kurz zuvor auf den Fluren des Regierungspalastes gegenüber. »Ziehen Sie alle Soldaten zurück! Das ist ein Befehl!«, verlangte Arce. »Werden Sie mir nicht gehorchen?«

Kurz danach ernannte der Präsident einen neuen Generalstabschef: Nach Informationen der Zeitung »El Deber« handelt es sich dabei um José Wilson Sánchez. Der habe die Soldaten dann erfolgreich aufgefordert, sich zurückzuziehen. »Niemand will diese Bilder, wie wir sie gerade in den Straßen sehen«, soll er gesagt haben. Und tatsächlich berichteten Augenzeugen wenig später, daß die Soldaten die Plaza Murillo wieder verließen. Dem Bericht zufolge tauschte Arce auch die Spitzen der Luftstreitkräfte und der Marine, Vizeadmiral Juan Arnez Salvador, aus.

In der Nacht zum Donnerstag teilte Innenminister Eduardo Del Castillo via X mit, bei dem gescheiterten Putsch habe es neun Verletzte gegeben. »Die Kommandanten der Streitkräfte (...) verbreiteten nicht nur Angst und Schrecken, sondern setzten auch Schußwaffen gegen das Leben, die Menschlichkeit und die Integrität des bolivianischen Volkes ein.« Del Castillo nannte die verhafteten Militärs »Verbrecher« und »Kriminelle«.

Offenbar richtete sich der vereitelte Staatsstreich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des früheren Staatschefs Evo Morales, ebenfalls von der MAS. Der erste indigene Präsident des Landes war von 2006 bis 2019 im Amt. Damals trat er unter dem Druck des Militärs zurück. Nach einer Reihe von Gerichtsentscheidungen darf Morales eigentlich nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren. Der frühere Anführer der Bewegung für die Rechte der Kokabauern will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr trotzdem antreten.

Derzeit kämpfen Morales und der amtierende Staatschef Arce in der MAS um die Führungsrolle vor den Wahlen im nächsten Jahr. Sie galten einst als Parteifreunde, haben sich jedoch vor einiger Zeit zerstritten. Boliviens Vizepräsident David Choquehuanca sagte: »Wir prangern vor der internationalen Gemeinschaft an, daß es sich um einen Staatsstreich gegen unsere demokratisch gewählte Regierung in Bolivien handelt.«

Staats- und Regierungschefs in Südamerika verurteilten in ersten Reaktionen das Vorgehen der Soldaten in La Paz. Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, erklärte: »Die Streitkräfte haben wieder einmal einen verbrecherischen Staatsstreich durchgeführt.« Sie rief die Mitglieder der CELAC, der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, dazu auf, »den Faschismus« zu verurteilen, der die Demokratie in Bolivien angefallen habe.

Der Präsident von Paraguay, Santiago Pena, rief dazu auf, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu respektieren. Sein chilenischer Amtskollege Gabriel Boric zeigte sich besorgt: Eine Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung dürfe nicht geduldet werden. Auch Spitzenpolitiker aus der EU kritisierten den Putschversuch.