Leitartikel28. April 2023

Vorurteile führen nicht zum Frieden

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Eigentlich war das am Mittwoch die Meldung des Tages: Es gab ein Telefongespräch zwischen Chinas Präsidenten Xi Jinping und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.

Die Medien brauchten, wie in solchen Fällen üblich, eine Weile, um daraus Nachrichten zu basteln, die sich in die bisherigen westlichen Narrative und Vorurteile einfügen. So wurde dann auch vermerkt, daß Xi weiterhin den »russischen Angriffskrieg nicht verurteilt«, oder daß die zwölf Punkte der chinesischen Friedensinitiative »nicht die Forderung nach einem Rückzug der russischen Truppen enthalten«. Wer über Frieden verhandeln will, darüber reden will, wie der in einen sinnlosen Krieg ausgeartete Konflikt in der und um die Ukraine beendet werden kann, muß auch anfangen, in größeren Dimensionen zu denken.

Mit dem Putsch vom Februar 2014 – und hier kann man nicht oft genug betonen, daß der nicht nur von den USA und mehreren EU-Staaten finanziell, politisch und propagandistisch massiv unterstützt wurde – wurden mehrere Probleme deutlicher sichtbar, die seit der Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken entstanden waren. Dazu zählt vor allem das Vorrücken der NATO an die Grenzen Rußlands, aber auch die Ausdehnung der wirtschaftlichen Dominanz der USA und der EU auf die Länder Ost- und Mitteleuropas, die bis dahin einen sozialistischen Entwicklungsweg verfolgt hatten.

Der Maidan-Putsch von 2014 hatte auf einen Schlag die Vervollständigung der Wende der Ukraine zur EU und zur NATO zur Folge, die schon etliche Jahre zuvor begonnen hatte. Hinzu kam die nunmehr offizielle und vom »Westen« wohlwollend gebilligte Beteiligung offen faschistischer und extrem nationalistischer Kräfte an der politischen Macht in der Ukraine, sowie die offizielle Diskriminierung sämtlicher nicht-ukrainischer Minderheiten. Das betraf nicht nur den großen Anteil der russischsprachigen Bevölkerung, sondern auch Minderheiten polnischen, ungarischen oder rumänischen Ursprungs.

Das größte Problem ist allerdings die von langer Hand geplante Ausdehnung des Territoriums, auf dem die NATO und vor allem die USA ungehindert ihre Stützpunkte errichten können, und dieses Gebiet reicht geografisch im Süden Rußlands bis weit östlich von Moskau. Kein russischer Präsident kann damit einverstanden sein – es sei denn, es handelte sich um eine Marionette der USA.

Diese Gemengelage mit einer großen Zahl von Details – einschließlich des künftigen Status der selbsternannten Republiken der Ostukraine sowie der Krim – gilt es zu besprechen, wenn es denn endlich zu Friedensverhandlungen kommen sollte. Im Gegensatz zum Globalen Westen hat die Regierung Chinas das erkannt, und Xi hat das in seinem einstündigen Telefonat mit Selenski offenbar erläutert. Der wiederum schrieb – auf Englisch – in sein Twitter-Account: »Ich hatte ein langes und bedeutungsvolles Gespräch mit Präsident Xi Jinping. Ich glaube, daß dieses Telefonat sowie die Ernennung des ukrainischen Botschafters für China der Entwicklung unserer bilateralen Beziehungen einen kraftvollen Schub geben wird.« Eine solche Äußerung Selenskis gibt zumindest ein wenig Hoffnung.

Wir Kommunisten unterstützen jegliche Initiative, die zur Herstellung eines dauerhaften Friedens führen kann, ganz gleich, ob sie vom chinesischen oder vom brasilianischen Präsidenten kommt oder auch vom Papst in Rom. Doch Vorurteile und Vorbedingungen führen nicht zum Frieden.