Ausland11. Mai 2022

Vor 70 Jahren

Der 11. Mai 1952 in Essen

Polizeieinsatz gegen Friedenskämpfer. Der Mord an dem jungen Kommunisten Philipp Müller

von DKP/UZ/ZLV

Der 11. Mai 1952 in Essen sollte im Zeichen der Jugendkarawane gegen Aufrüstung stehen. Geplant war eine Demonstration und Kundgebung der Friedensbewegung gegen die Remilitarisierungspläne der Adenauer-Regierung. Der 21-jährige Arbeiter Philipp Müller aus München, der wie 30.000 andere junge Menschen aus allen Teilen der Bundesrepublik nach Essen gekommen war, erlebte den Abend dieses 11. Mai 1952 nicht mehr. Ihn traf eine Polizeikugel in den Rücken, wenige Stunden später war er tot.

Philipp Müller, 1931 geboren, gehörte zu jenem Jahrgang, den der christlich-demokratische Bundeskanzler Konrad Adenauer wieder als erste in die geplante neue Armee der Bundesrepublik stecken wollte. Er war 14, als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, hatte Tod, Trümmer, Not, Hunger und Elend erlebt. Ihm war klar, daß ein nächster Krieg nicht mehr stattfinden dürfte. Der junge Arbeiter organisierte sich in der Gewerkschaft, ging mit 17 in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und trat wenig später in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein.

»Wir wollen in Frieden und ohne Furcht leben und arbeiten«, so stand es im Aktionsprogramm der FDJ, und in diesem Sinne wirkte der Jugendverband gemeinsam mit anderen Organisationen wie den »Falken«, der Naturfreundejugend, den Jungsozialisten, der Gewerkschaftsjugend, den Pfadfindern, der katholischen und evangelischen Jugend gegen die Aufrüstungspolitik Adenauers. Sie beteiligten sich an der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung, die 1951/52 durchgeführt wurde, obwohl sie die Regierung verboten hatte. 9.116.667 Bürger der Bundesrepublik stimmten damals gegen die Wiederaufrüstung.

Weil die KPD und die FDJ großen Anteil am Widerstand gegen die Aufrüstung hatten, holte der Kanzler nun zum Schlag gegen die Friedenspolitik aus. Am 26. Juni 1951 verbot er die FDJ und leitete wenig später einen Verbotsantrag gegen die KPD ein.

In dieser Situation tagte am 2. März 1952 in Darmstadt das »Treffen der jungen Generation«. Mehr als 1.500 Delegierte aus vielen Verbänden und Organisationen waren der Einladung von Pfarrer Mochalski gefolgt. Darunter auch Vertreter der FDJ, die sich auch durch verfassungswidrige Verbote nicht vom Kampf für den Frieden und gegen die Aufrüstung abhalten ließen. Ein Präsidium unter Vorsitz von Pfarrer Mochalski wurde gebildet. Am 1. Mai 1952 rief dieses Präsidium für den 11. Mai 1952 zur Jugendkarawane nach Essen auf.

Während Tausende bereits mit Bahn und Bus, per Rad oder zu Fuß auf dem Weg nach Essen sind, verbietet Adenauers Innenminister Lehr kurzfristig die Friedenskundgebung. Dennoch lagern in den Mittagsstunden auf den Wiesen vor der Gruga in Essen schon 15.000 junge Menschen, eingekesselt von schwerbewaffneten Hundertschaften der Polizei.

Plötzlich fährt ein Lautsprecherwagen der Polizei vor und verkündet: »Die Kundgebung ist abgesagt!« Und keine zehn Sekunden später hämmern die Uniformierten mit Gummiknüppeln auf die Menge ein. Kaum hat die Polizei ihre erste Knüppelaktion beendet, sammeln sich die Jugendlichen 100 Meter weiter zur Demonstration. Wieder Knüppeleinsätze, wieder Demonstrationen in kleinen Gruppen. So protestieren 30.000 Jugendliche bis in den Abend hinein gegen die Remilitarisierung. Unter ihnen der damalige FDJ-Vorsitzende in der Bundesrepublik Deutschland, Jupp Angenfort.

Philipp Müller erreichte mit einer Gruppe von Demonstranten die Rüttenscheider Brücke. Gejagt von 20 Polizisten. An ihrer Spitze der Offizier Werner Wolter aus Köln. Sie sind noch 50 Meter entfernt. Da brüllt Wolter: »Feuer frei!«, hebt die Pistole, drückt ab … »In Deckung«, ruft Philipp Müller seinen Freunden zu. Dann fallen Schüsse. Eine Kugel trifft Philipp Müller in den Rücken. Er stürzt, schlägt mit dem Kopf auf das Pflaster. Polizisten packen ihn an Armen und Beinen und werfen ihn in ein Polizeiauto. Wenige Stunden später ist er tot.

Unzählige junge Menschen werden an diesem Tag willkürlich von der Polizei festgenommen. Zu ihnen gehört Herbert Mies, ein junger Arbeiter aus Mannheim, Mitglied des Zentralbüros der FDJ in der Bundesrepublik und späterer Vorsitzender der DKP.

Hunderte ziehen mit Solidaritätsbekundungen vor das Essener Polizeigefängnis. Dort waren bereits Werner Cieslak, Sepp Mayer und Manfred Kapluck eingekerkert – alle drei Mitglieder des Zentralbüros der FDJ in der Bundesrepublik, weil sie Adenauers Verrat am Friedenswillen der Bevölkerung aktiv bekämpft hatten. Werner Cieslak wurde später Mitglied des Präsidiums und Bezirksvorsitzender der DKP Ruhr-Westfalen, Sepp Mayer Sekretär des Parteivorstandes der DKP und Manfred Kapluck Mitglied des Parteivorstandes der DKP.