Ausland20. Juli 2024

Vier Tage Gratis-Werbung

Trump verfällt in die altgewohnten Tiraden

Max Böhnel, New York

»Ich sollte heute Abend eigentlich nicht hier sein. Ich stehe hier nur wegen der Gnade des Allmächtigen« – mit diesen Worten schloß Trump die Schilderung des Attentatsversuchs auf ihn fünf Tage davor. Nicht wenige Parteitagsdelegierten hatten Tränen in den Augen, viele waren ins Gebet versunken. Es war das erste Mal, daß Trump seitdem auf einer öffentlichen Bühne sprach, sein rechtes Ohr mit einem weißen Wickel überklebt. Gleichwohl war die Rede, mit der er formal seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanerpartei annahm, der Höhepunkt der »Convention«.

Schon am ersten Tag war der Medienprofi unangekündigt in den Saal eingezogen, als inszenierte »Überraschung« zur besten Sendezeit kurz vor 20 Uhr. Unter dem frenetischen Jubel des Publikums ließ er sich dann, das rechte Ohr von einer weißen Binde überdeckt, auf der Ehrenloge gegenüber der Bühne nieder. Das Schauspiel wiederholte sich an den darauf folgenden Tagen zur selben Zeit, mit einer Ausnahme: wirkte er am Eröffnungstag, zwei Tage nach dem Attentatsversuch, noch beklommen und bewegt – er hatte Tränen in den Augen –, so war er ab dem zweiten Tag wieder ganz der Alte. Er folgte täglich den Rednerinnen und Rednern, zentral platziert auf der Ehrentribüne. Neben ihm ließen sich Familienmitglieder und enge Vertraute nieder, darunter auch der frisch gekürte Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance und der rechte TV-Moderator Tucker Carlson.

Da die großen Nachrichtensender den Parteitag in den Abendstunden live übertrugen, erhielt Trump über den Verlauf von vier Tagen Gratis-Werbung. Der Fox News zeigte Trump stundenlang im Split-Screen, als wundersam dem Tod Entkommener, Kämpfer, Versöhner und Erlöser.

Von »nationaler Versöhnung« und »Einigkeit« werde er sprechen, hatte Trump schon einen Tag nach dem Attentat versprochen. Und tatsächlich gab er sich zunächst versöhnend. Er wolle »eine Vision für alle Amerikaner aufzeigen«, las er vom Teleprompter ab, »ich reiche euch meine Hand in Treue und Freundschaft. Zusammen werden wir Amerika zu neuen Höhen führen.«

Doch dann weicht Trump im Lauf seiner Rede immer wieder vom Text ab und verfällt in die altgewohnten Tiraden – bizarr, unzusammenhängend, beleidigend, hetzerisch und insinuierend. Die Strafverfahren gegen ihn seien eine »parteiische Hexenjagd« sowie »total fake«. Die längst pensionierte Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi nennt er »crazy«. Als er sagt, die USA würden »von Mexiko her von einer Invasion« bedroht, ist er an seinem Hauptthema angelangt. Minutenlang hetzt er gegen Einwanderer ohne Dokumente. Sie würden vor allem Schwarze und Latinos vom Arbeitsmarkt verdrängen, kämen »aus Gefängnissen und Irrenanstalten, um hier Verbrechen zu begehen«. Und dann bemüht Trump den Vergleich mit Hannibal Lecter, dem grausamsten Kino-Massenmörder, aus »Das Schweigen der Lämmer«. Die versammelten Fans lachen zunächst. Dann skandieren sie, von ihren Sitzen aufspringend, »Send them home, send them home« (Schickt sie heim) und »USA, USA«.

Weite Teile seiner Rede sind versetzt mit Bildern einer Nation, die sich »wegen der Demokraten im Niedergang« befinde. Den Namen Biden läßt Trump dabei nur einmal fallen. Zerstört worden sei das Land durch »diese schreckliche, schreckliche Regierung«. Doch Trump läßt keinen Zweifel daran, daß die »Make-America-Great-Again«-Bewegung den »American Dream« gegen seine Zerstörer verwirklichen werde. »Wir gewinnen sowieso«, feuert er die Menge an. Dahinter versteckt sich nicht nur die Gewißheit auf einen Wahlsieg am 5. November, sondern auch – und alle 2.500 versammelten Republikaner und die Millionen zuhause am Bildschirm wissen es – die Zusage, einen möglichen Wahlsieg der Demokraten erneut nicht anzuerkennen. »Win! Win! Win!« antworten die Delegierten aus dem ganzen Land ihrem Führer, die Fäuste in die Höhe gereckt.